Die Athleten der antiken Olympischen Spiele kämpften nackt, so wie auch die Götterstatuen nackt waren, die ihrerseits den bewunderten Körpern der Athleten nachgebildet wurden. Für ihre Kraft und ihre Kühnheit wurden sie von allen bewundert. Manchmal starben sie durch die Schläge, die sie im Faustkampf erhielten. Beim Wagenrennen konnte es geschehen, dass die Wagen in der Kurve umstürzten und dies zum Tod von Wagenlenkern und Pferden führte. Die Athleten riskierten lieber das eigene Leben, um der Schmach einer Niederlage zu entgehen. Wie auch heute noch haben die Hingabe beim Training und die Anstrengung beim Wettkampf nur ein Ziel: den Sieg.
Was erhielten sie nun als Gegenleistung für diesen großen Aufwand? Einen Olivenzweig − undenkbar in unserer modernen Zeit, in der man oftmals an Millionengagen gewöhnt ist. Diesen Zweig hatten sie nach ihrer Heimkehr getragen wie ein König seine Krone, und sie wurden wie Kriegshelden mit prächtigen Geschenken ausgezeichnet. Mit diesem Ziel vor Augen taten sie alles und waren weit entfernt von dem fairen und strengen Verhalten bei den heutigen Olympischen Spielen.
Der wirklich große Preis aber war ein anderer: die Erinnerung an sie und damit ihre Unsterblichkeit. Es war ihr Motiv, dass sie nach dem Sieg mit ihrer Statue geehrt wurden, oft mit einem idealisierten Gesicht ähnlich dem Antlitz der Götter, aber gewöhnlich versehen mit einer Inschrift, in der der Name, der Name der Familie, der Heimatort und die Disziplin verewigt waren.
Und die Verlierer? Für sie gab es weder Trostpreise noch Ruhm, und wenn sie nach Hause zurückkehrten, mussten sie sich oftmals in dunklen engen Gassen verstecken, wie Pindar in einer Ode berichtet.[1]
Leider ist von dem antiken Heiligtum in Olympia, in der die originalen Spiele stattgefunden haben, nicht genug übriggeblieben, um sich ein authentisches Bild von der Atmosphäre der Agone zu machen. Die Spiele wurden zu Ehren des Göttervaters Zeus abgehalten, sein Tempel liegt seit einem Erdbeben im 4. Jh. n. Chr. in Trümmern. Vor seinem Tempel erhob sich auf einem hohen dreieckigen Postament die Statue einer Victoria, die bei den Griechen Nike hieß. Sie war ein Weihgeschenk nach einem erfolgreichen Krieg[2], könnte aber hier gleichzeitig den agonistischen Geist der Spiele personifizieren. Sie ist im Flug dargestellt wie alle diese unerwartet erscheinenden Gottheiten, weil − wie sogar Napoleon sagte − das Leben aus vielen Schlachten bestehe: aus denen, die man glaubt zu gewinnen und sie verliert, sowie aus denen, die man zu verlieren glaubt und sie gewinnt.
Das für die athletischen Wettkämpfe bestimmte Stadion war ein einfacher Platz aus gestampfter Erde, aber einst setzten sich 45000 bis 50000 Griechen auf die Böschung und jubelten. Die Ursprünge von Olympia sind sehr alt und reichen bis mindestens 2800 v. Chr. zurück. Und Zeus, der Gott von Blitz und Donner, wurde seit mindestens 1000 v. Chr. verehrt.
Die Organisation der Wettkämpfe
Wie aber begannen die Spiele? Die antiken Schriftsteller berichten von religiösen Riten zu Ehren des Zeus, etwa einem Wettlauf der Jünglinge zum Altar des Gottes. Die ersten offiziellen Wettkämpfe begannen 776 v. Chr. und wurden ohne Unterbrechungen alle vier Jahre wieder ausgetragen. Alle freien griechischen Bürger konnten daran teilnehmen. Ausgeschlossen waren Sklaven, Frauen und Fremde, die man Barbaren nannte, weil sie nicht griechisch sprachen. Die Wettkämpfe begannen am ersten Vollmond des August.
Das Reglement war streng, und Pindar nennt die Gesamtheit dieser Regeln die „Gesetze des Zeus“.[3] Das bedeutet, dass ein Verstoß schwerwiegend war, da er eine Kränkung der Gottheit bedeutete.
Die Athleten reisten einen Monat vor Beginn der Spiele nach Elis, sowohl um zu trainieren, als auch um von den Hellanodikai, den Kampfrichtern, überprüft zu werden:
Wenn ihr euch durch Arbeit als würdig erwiesen habt, nach Olympia zu gehen und nicht leichtsinnig und unedel gewesen seid, so geht getrost! Wer sich aber nicht so vorbereitet hat, der gehe, wohin er will ![4]