Bestattung als Beweis für Sklaverei im römischen Britannien

Archäologen des MOLA in London fanden die einzigartige Bestattung eines erwachsenen Mannes. Man begrub ihn in einem Graben und an seinen Knöcheln war er mit einem verschlossenen Satz eiserner Fesseln gefesselt. Dies ist der erste Fund einer Bestattung mit dieser Form der Fesselung aus dem römischen Britannien. Der Fund wirft Fragen darüber auf, wer diese Person war und warum sie gefesselt war.

Römische Grabfesseln von Great Casterton. Credits: MOLA

Die Bestattung entdeckten Bauarbeiter als sie an einer Hauserweiterung in Great Casterton, Rutland, arbeiteten. Die Radiokohlenstoffdatierung durch die Polizei von Leicestershire ergab, dass die Überreste aus der Zeit zwischen 226 und 427 n. Chr. stammen. Anschließend zog die Polizei Die Archäologen von MOLA hinzu, um diesen international bedeutenden Fund vollständig freizulegen, aufzuzeichnen und zu analysieren.

Beweis für Versklavung?

Sklaverei war im Römischen Reich weit verbreitet und die Praxis wird in schriftlichen Quellen aus dieser Zeit beschrieben. Allerdings kann es schwierig sein, versklavte Menschen in den archäologischen Aufzeichnungen zu identifizieren. Für diese Periode sind Eisenfesseln eines der einzigen Artefakte, die eine starke direkte Verbindung zur Sklaverei haben. Bis heute kann man sie an archäologischen Stätten im gesamten Römischen Reich finden. Jedoch finden Archäologen Fesseln sehr selten mit menschlichen Überresten zusammen. Der Fund von Great Casterton ist die erste Bestattung eines Mannes, mit verschließbaren Fußfesseln, die man im römischen Britannien identifizierte.

Es gibt eine kleine Anzahl von Bestattungen, die in Großbritannien die Archäologen mit schweren Eisenringen um die Gliedmaßen fanden. Einige dieser Individuen hatte man enthauptet. Im Gegensatz zu den Fesseln von Great Casterton waren diese Ringe, von denen man einige möglicherweise auf die Körper schmiedete, jedoch wahrscheinlich keine funktionalen Fesseln, die diejenigen zu Lebzeiten trugen. Sie könnten im Tod hinzugefügt worden sein. Daher ist es möglich, dass es sich um symbolische Fesseln handelt. Sie sollten vermutlich den Toten erniedrigen oder den Träger im Jenseits als Verbrecher oder Sklaven brandmarken. Einige römische Schriftquellen erwähnen auch die Verwendung von eisernen Fesseln, um zu verhindern, dass sich die ruhelosen Toten erheben und die Lebenden beeinflussen.

Ein Diagramm der Great Casterton Fesselbestattung. Credits: MOLA.

Was wissen wir über den Mann, der in Great Casterton bestattet wurde?

Um sich ein Bild über das Leben und die Identität des in Great Casterton bestatteten Mannes zu machen und um zu versuchen, die Bedeutung der Fesseln zu verstehen, haben die Experten von MOLA detaillierte Nachforschungen angestellt. Die Untersuchung des Skeletts legt nahe, dass der Mann ein körperlich anstrengendes Leben führte. Ein Knochensporn an einem der Oberschenkelknochen könnte von einem traumatischen Ereignis stammen. Vielleicht durch einen Sturz oder einen Schlag auf die Hüfte, oder aber durch ein Leben voller exzessiver oder sich wiederholender körperlicher Aktivitäten. Allerdings war diese Verletzung zum Zeitpunkt seines Todes bereits abgeheilt, und die Ursache seines Todes bleibt unbekannt.

Die ungünstige Lage des Grabes – leicht auf der rechten Seite liegend, während die linke Seite und der Arm auf einer Schräge liegen – deutet darauf hin, dass er informell begraben wurde, eher in einem Graben als in einem richtigen Grabschnitt. Die Bestattung liegt nur sechzig Meter entfernt von einen römischen Friedhof. Deshalb scheint es, dass man diese Person direkt außerhalb begrub. Vielleicht war es ein bewusster Versuch, ihn von den Menschen zu trennen, die innerhalb des Friedhofs begraben wurden.

Böswillige Behandlung auch im Tod?

Die Identität des Mannes aus Great Casterton wird nie mit Sicherheit geklärt werden. Obwohl die verschiedenen Beweisstücke zusammengenommen den überzeugendsten Fall für die Überreste eines römischen Sklaven Großbritanniens darstellen. Es bleiben spannende Fragen: Warum wurden zum Beispiel die Fesseln des Mannes nicht entfernt, um sie wieder zu verwenden? Unabhängig davon, ob der Mann zu Lebzeiten versklavt war oder nicht, könnte die Art und Weise seiner Bestattung eine Form der absichtlichen Misshandlung seines Körpers darstellen. Sie deutet wahrscheinlich auf den bösen Willen derer hin, die zum Zeitpunkt seines Todes Macht über ihn hatten.

MOLA-Archäologe Chris Chinnock sagte: „Die zufällige Entdeckung der Bestattung einer versklavten Person in Great Casterton erinnert uns daran, dass, obwohl die Überreste versklavter Menschen oft schwer zu identifizieren sind, ihre Existenz während der römischen Periode in Britannien unbestreitbar ist. Daher können und sollten die Fragen, die wir anhand der archäologischen Überreste zu beantworten versuchen, die Rolle anerkennen, die die Sklaverei im Laufe der Geschichte gespielt hat.“

MOLA-Fundspezialist Michael Marshall sagte: „Für die lebenden Träger waren Fesseln sowohl eine Form der Gefangenschaft als auch eine Methode der Bestrafung, eine Quelle des Unbehagens, der Schmerzen und des Stigmas, die möglicherweise Narben hinterlassen haben, auch nachdem sie entfernt wurden. Die Entdeckung von Fesseln in einem Begräbnis deutet jedoch darauf hin, dass sie möglicherweise verwendet wurden, um Macht über Tote wie auch über Lebende auszuüben. Das deutet darauf hin, dass einige der symbolischen Folgen von Gefangenschaft und Sklaverei auch über den Tod hinausreichen könnten.“

Nach Pressemeldung von MOLA.

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