Die Olympischen Spiele in der Antike

Olympia – Die Heimat der Spiele

Nach Olympia kam man nicht nur wegen der Spiele, sondern auch um zu sehen und gesehen zu werden. So kamen auch die Philosophen Sokrates, Platon und Aristo­teles. Der Historiker Herodot las aus seinen Werken auf den Stufen des Zeustempels; aber man kam auch, wie heute zum Vatikan, um die großartigen Kunstwerke zu bewundern, die einen „Wald von Skulpturen“ bildeten, wie ein antiker Schriftsteller schrieb. Viele sind je­doch nicht erhalten und zahlreiche der heute in den Museen ausgestellten stammen aus den Ausgrabungen, vor allem den deut­schen, besonders aus den letzten hundert Jahren.

So ist auch die Statue des Zeus verloren, die von den Alten zu den Sieben Weltwundern gezählt wurde. Sie bestand aus einer enormen Menge von Gold und Elfenbein. Ihre Kostbar­keit war auch der Grund für ihr Verschwinden, als die antiken Götter nicht mehr verehrt wur­den. Es blieb nur die Werkstatt erhalten, in der der berühmte Bildhauer Pheidias sie geschaf­fen hatte, der Künstler, der auch am Parthe­non in Athen gearbeitet hat.

Im Heiligtum gab es auch viele große Brunnen für das Publikum. Schließlich gab es ein Luxushotel, das mit 182 Säulen ausgestat­tete Leonidaion, das 50 wohlhabende Gäste aufnehmen konnte, die reichlich tranken und aßen, während die Athleten trainierten: die Faustkämpfer und Ringer in der Palaistra, die Fünfkämpfer im Gymnasion.

Der Tempel des Zeus besaß reich mit Skulpturen ausgestattete Giebel mit Themen aus der griechischen Mythologie, die mit Olympia verbunden waren.

Die Griechen liebten harmonische Kör­per, weil sie der Meinung waren, dass die körperlichen Proportionen mit dem inne­ren Gleichgewicht übereinstimmen würden. Übrigens sagte auch in römischer Zeit der Schriftsteller Iuvenal „mens sana in corpore sano“, d. h. wenn der Geist gesund ist, dann ist es auch der Körper.[17] Deshalb wurden auch die Körper der Fünfkämpfer von den Bild­hauern als Modell für die Statuen der Götter genommen.

Der Doryphoros des Polyklet steht sinnbildlich für den perfekten, sportlich muskulösen Körper. Der aus weißem Marmor gefertigte Akt steht in kontrapostischer Haltung. Der rechte Arm hängt locker hinab, der linke Arm ist leicht angewinkelt und die Hände der linken Hand sind leicht gekrümmt, so dass vermutet wird, dass er in dieser Hand einen Speer gehalten hat (nicht mehr erhalten).
Der perfekte Körper: Doryphoros. Kopie, frühe römische Kaiserzeit, nach Bronzeoriginal, um 440 v. Chr., von Polyklet. Foto: akg-images / Nimatallah.

Mit dem Diskobolos des Myron beginnt der Film von Leni Riefenstahl über die Olympischen Spiele in Berlin 1936, weil er das Ideal eines Athleten verkörpert und das Ideal der nationalsozialistischen Jugend per­sonifiziert. Der Diskobol wurde auf Drängen Hitlers 1938 von Italien gekauft und 1948 restituiert.[18]

Bei den Olympischen Spielen waren die Sie­ger des Pentathlon besonders angesehen: Die fünf Sportarten waren Laufen, Weitsprung, Speerwerfen, Diskoswerfen und Ringen. Jah­relang trainierten die Athleten im Gymnasium mit den Ausbildern und wurden begleitet von Auloispielern, die vielleicht den Rhythmus an­geben sollten, so wie wir heute noch Musik beim Training verwenden. Es existierten aber auch – nicht als olym­pisch anerkannte – Disziplinen wie der Staffellauf, bei dem der Staffelstab eine brennende Fackel war. Es ist klar, dass diese Sportarten dazu dienten, um Kuriere auszubilden, die man in Krieg und Frieden brauchte. Berühmt ist die Geschichte von Pheidippides, der nach Herodot von Athen nach Sparta geschickt worden war, um Hilfe für den Krieg gegen die Perser zu holen. Er schaffte diese Strecke von mehr als 225 km anscheinend in zwei Ta­gen.[19] Im Jahre 328 v. Chr. lief ein anderer namens Ageus sogleich nach Hause, nachdem er im Dolichos gesiegt hatte, und zwar die Strecke von Olympia bis Argos, ca. 100 km.[20]

Einzelne Unterschiede im Vergleich mit unserer Zeit sind interessant. So wurde bei­spielsweise beim Speerwurf der Schaft in der Mitte mit einem Band ausgestattet, in das der Zeige- und Mittelfinger gesteckt wurden, um die richtige Flugbahn zu erhalten; die Diskoi wogen doppelt so viel wie die heutigen, näm­lich 4,5 kg.

Seit 720 v. Chr. kämpften die Athleten nackt. Ein Läufer soll bei einem Wettkampf seinen Lendenschurz (perizoma) verloren ha­ben, und nach seinem Sieg traten dann alle unbekleidet an. Die Nacktheit galt bei den Griechen keineswegs als skandalös, und übri­gens haben die im 6. Jh. v. Chr. entstandenen Gymnasien ihren Namen von dem griechi­schen Wort gymnos (nackt) abgeleitet.

Auch die Homosexualität – zumindest die männliche – wurde in Griechenland nicht als Verfehlung angesehen, sondern war ein ver­breiteter Brauch. Ein Gang durch Olympia, bei dem man die schönen und harmonischen Körper bewunderte, konnte auch sexuelle Er­regung erzeugen. Die Homosexualität hatte eine wichtige soziale Funktion, weil sie die Unberührtheit der Frauen schützte. Merk­würdigerweise konnten die Mädchen und die jungen Frauen trotz der Nacktheit der Athleten und der Brutalität der Spiele anwe­send sein, dagegen war dies den verheirateten Frauen streng verboten. Sie durften sogar den Alpheios nicht überqueren, der den Heiligen Bezirk begrenzte. Darauf stand die Todes­strafe, nämlich der Sturz vom Felsen ober­halb des Tempels. Die einzige Ausnahme für eine verheiratete Frau bildete die Priesterin der Demeter.

Die Frauen hatten ihre eigenen Wettkämpfe, die Heraia, die sie zu Ehren der Hera, der Gattin des Zeus, veranstalteten. Die Laufstrecken für die Frauen in drei Al­tersstufen wurde im Vergleich zu den männ­lichen Athleten um ein Sechstel verringert. Im Unterschied zu den Männern trugen die Mädchen einen kurzen gegürteten Chiton, der die rechte Schulter bis zur Brust freiließ. Ihre Wettkämpfe und Siege galten als ein Übergangsritus vor dem Ehestand. Besonders die Mädchen aus Sparta waren von Kindheit an durch die paramilitärische Erziehung an Sport gewöhnt und standen deshalb an der Spitze der Wettkämpfe.

Der Ablauf der Spiele

Der heiligste Ort in der Altis von Olympia war der Altar des Zeus zwischen dem Zeus- Tempel und dem Hera-Tempel, aber es gibt keine Spur mehr von ihm. Er war berühmt in ganz Griechenland: ca. 10 m hoch aus Asche, Kohle und den Knochen tausender Tiere, ge­opfert in vielen Jahrhunderten. Um neue Op­fer nach oben zu bringen, mussten die Priester Treppen anlegen. Gegen Mitte des ersten Tages der Spiele wurden hundert Tiere geopfert: ein echtes Schauspiel! Dem Gott bot man nur die Keulen und die Reste, das übrige gute Fleisch wurde an die Teilnehmer verteilt wie bei einem großen Fest.

Die Startschwelle im Stadion von Olympia. Über die gesamte Länge der Vorrichtung sind zwei gleichgroße Vertiefungen/Rillen eingelassen worden.
Olympia, Startschwelle (Balbis) im Stadion (erbaut 4. Jh. v. Chr., 192,25 m lang, ca. 30 m breit). Foto: akg-images / Bildarchiv Steffens.

Der zweite Tag begann mit dem Stadion­lauf. Es war vielleicht das wichtigste Ereignis, da die Olympischen Spiele jeweils nach diesem Sieger zusätzlich benannt wurden. Das Stadion hatte ungefähr eine ähnliche Form wie die heu­tigen. Die Startlinie bestand aus einer Reihe von Platten, in die Rillen eingearbeitet waren, in die die Läufer ihre Zehen stellen mussten, ohne sie zu übertreten. Wer dies tat, wurde mit der Peitsche bestraft. Im 4. Jh. v. Chr. je­doch wurde ein Mechanismus eingeführt, der aus einem System aus Seilen und Querhölzern bestand. Diese Seile wurden gleichzeitig von einem in einer Vertiefung sitzenden Schieds­richter fallengelassen. Die Position der Läufer beim Start war anders als heute, nämlich mit vorwärts gestreckten Armen.

Die Rennstrecke war 192 m lang, weil He­rakles, der mythische Begründer der Spiele, diese Distanz in einem Atemzug gelaufen war. Wir haben keine Kenntnis von Messun­gen mit einer Wasseruhr, die es wahrschein­lich gegeben hat, und leider auch keine Zeit­wertungen. Auf jeden Fall war es wichtiger, die Gegner zu überwinden als einen Rekord auf­zustellen. Selbstverständlich blühten die Le­genden auf. Auch heute erzählt man von eini­gen Läufern, sie seien nicht gelaufen, sondern geflogen.

Außerdem Stadionlauf, d. h. pure Schnel­ligkeit über eine Stadionlänge, existierte auch der Diaulos, einmal hin und zurück, den wir heute Mittelstrecken lauf nennen würden, und der Dolichos, eingeführt 720 v. Chr., der zwischen sieben, zwölf oder 24 Stadionlän­gen variierte, d. h. Läufe bis ca. 4,5 km, die man als Langstrecke definieren würde.

Der letzte Tag endete mit dem Lauf der Hopliten, Athleten, die völlig wie die Fuß­soldaten des Heeres (Helm, Schwert, Schild, Beinschienen, d. h. ca. 25 kg) bewaffnet wa­ren. Sie mussten im Stadion einen Diaulos laufen, eine echte Prüfung von Beweglichkeit und Kraft. Mit diesem Wettkampf endeten die Olympischen Spiele und der Waffenstill­stand zwischen den verfeindeten Städten.

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