Antikes Lager für Salz in der Lagune von Venedig entdeckt

Das Projekt Vivere d’acqua (Leben am Wasser) hat einen weiteren Teil der Geschichte der venezianischen Lagune ans Licht gebracht. Es wurden monumentale Holzstrukturen freigelegt, die in römischer Zeit wahrscheinlich als ein Lagerraum für Salz dienten. Dabei handelt es sich um ein Nebengebäude der maritimen Villa von Lio Piccolo.

Luftbild von der Ausgrabung: Archäologinnen und Archäologen führen Vermessungs- und Grabungsarbeiten durch
Das Grabungsteam bei der Arbeit (Foto: Università Ca‘ Foscari Venezia)

Das Gebäude hatte einen ganz besonderen Aufbau: In einer 1,5 m breiten und ebenso tiefen Baugrube lagerten die alten Römer paarweise lange und mächtige Holzbalken von 25/30 cm Dicke. Auf ihnen ruhten, ohne Nägel oder Pflöcke, mehrere robuste Eichenstämme, die noch erstaunlich gut erhalten sind (einschließlich Rinde) und einen Durchmesser von 60/70 cm hatten. Der Lagunenlehm, mit dem die Grube verfüllt wurde, sorgte für ein äußerst solides Fundament für ein von Wasser umgebenes Holzgebäude, das eine sehr hohe Last tragen konnte.

Die Arbeitshypothese von Diego Calaon und Daniela Cottica, den Leitern des archäologischen Projekts, lautet, dass es sich bei diesem Gebäude um eine der Strukturen der antiken römischen Salinen in Küstennähe handeln könnte, die vielleicht dazu dienten, das in den nahegelegenen Salinen produzierte Salz zu lagern.

Die stratigraphischen Analysen, die unterhalb des mittleren Wasserstandes durchgeführt wurden, beschreiben ein halbkreisförmiges Gebäude, das einen Innenhof umgab. In dem Innenhof befand sich ein Wasserfilterbecken, d. h. ein Brunnen im venezianischen Stil – ein großes, mit Lehm ausgekleidetes Becken, das mit sehr sauberem Sand aus den Küstendünen gefüllt war und dazu diente, das Regenwasser von den Dächern des Gebäudes zu filtern, um es trinkbar zu machen. Das Holzgebäude war zweifellos der Arbeitsplatz der Sklaven, die sich in der Villa bewegten. Die Stratigraphie zeigt Arbeitspläne, Pfostenlöcher und Überreste von handwerklichen Tätigkeiten.

Blick in den Grabungsschnitt: Zusehen sind Holzplanken und massive Holzpfosten, die zu einem Gebäude gehören, in dem Salz gelagert wurde
Bei der Ausgrabung gefundenes hölzernes Fundament (Foto: Università Ca‘ Foscari Venezia)

Bereits im Sommer entdeckten die Archäologen bei einer Unterwasser-Grabungskampagne, das die Villa über ein Becken für die Austernzucht verfügte. Die Neuheit der Ausgrabung von 2022 besteht darin, dass es möglich war, einen langen Zeitraum der Besiedlung der Stätte zu dokumentieren: vom 1. bis zum 6. Jh. n. Chr. Die Lagune wurde in der Antike ständig genutzt, insbesondere entlang der Wasserwege, die den Hafen der antiken Stadt Altinum mit der Küste verbanden.

Bei den Ausgrabungen wurden zahlreiche Mosaiksteine und Gipsfragmente gefunden, die ein Gebäude schmückten, das auf das 1. nachchristliche Jahrhundert zurückgeht. Die Archäologen erklären, wie diese Strukturen im Laufe der Jahrhunderte ihre Form veränderten und sich an die verschiedenen wirtschaftlichen Nutzungsmodelle der Lagune anpassten. Das Produkt änderte sich nicht (es wurde weiterhin Salz hergestellt), wohl aber die Art der Strukturen und die Art der Nutzung entsprechend der unterschiedlichen Wirtschaftsmodelle. So zeigen die Ausgrabungen beispielsweise, wie zwischen dem 5. und 6. Jh. n. Chr. das Holzgebäude durch ein gemauertes Gebäude ersetzt wurde, wobei Backsteinmauern aus früheren Zeiten wiederverwendet wurden.

Das Projektteam von Vivere d’Acqua schließt in diesen Tagen seine Untersuchungen mit einer Reihe von Bohrungen und geologisch-ökologischen Analysen ab, um zu verstehen, wie die Beschaffenheit des Gebietes diese Art von Siedlungen und die Nutzung der Küste in der Römerzeit ermöglichte. Und vielleicht sogar in früheren Zeiten. Aus den Ausgrabungen und Kernbohrungen ergeben sich in der Tat einige sehr interessante anthropogene Werte, die vielleicht aus der voraugusteischen Zeit stammen.

Besucher stehen rund um die Grabungsfläche, zwei Archäolog:innen stehen darin
Besichtigung der Ausgrabungsstätte (Foto: Università Ca‘ Foscari Venezia)

Das Projekt Vivere d’Acqua wählte einen partizipativen Kommunikationsweg, um die laufenden Forschungen mit fast 2000 Besuchern der Ausgrabung zu teilen. Das öffentliche Archäologieprogramm mit Veranstaltungen, Führungen und Gesprächen ermöglichte es interessierten Besuchern, die laufenden Ausgrabungen mit zu verfolgen.

Nach einer Pressemeldung der Universität Ca‘ Foscari Venedig.

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