Neolithikum in Kalabrien – Lebensweisen vor 6000 Jahren

Eine Studie unter der Leitung der Forschungsgruppe des Ancient DNA Laboratory der Universität von Bologna wirft ein neues Licht auf das Leben im heutigen Kalabrien während des Neolithikums. Dank der Analyse von alten DNA-Sequenzen und und Proteinen aus der Bestattung von Grotta di Pietra Sant’Angelo in der Provinz Cosenza, haben die Forscher die Lebensweise und den Gesundheitszustand eines Individuums aus dem mittleren Neolithikum rekonstruiert und ein umfassendes bioarchäologisches Profil erstellt, das neue Forschungshorizonte für die Prähistorie Süditaliens eröffnet.

Die Grotte von Pietra Sant’Angelo ist eine Höhle in über tausend Meter über dem Meeresspiegel im Herzen des Pollino-Parks in Kalabrien. Der Eingang, in eine Kalksteinwand gegraben, ist steil und äußerst schwierig zu erreichen. In der Höhle wurde 2019 die Bestattung eines Individuums entdeckt, das vor etwa 6000 Jahren in der Jungsteinzeit lebte. Ein Fund, der sowohl aufgrund der abgelegenen Lage als auch aufgrund der Merkmale der Bestattung, besonders ungewöhnlich war.

Grotte von Pietra Sant'Angelo, Kalabrien
Pietra Sant’Angelo-Massiv und Eingang der gleichnamigen Höhle, Foto: Felice Larocca

Dank einer Reihe eingehender Analysen von Skelettresten konnte nun ein internationales Forscherteam die Herkunft, die Gewohnheiten und den Gesundheitszustand des in der Höhle von Pietra Sant’Angelo begrabenen Mannes rekonstruieren.

Entzündung als Todesursache?

„Die Ergebnisse unserer Studien zeigen Spuren einer Entzündung, die die Todesursache sein könnte. Ein schneller Tod weit weg vom Herkunftsort würde in diesem Sinne die ungewöhnliche Wahl des Bestattungsortes erklären, einem Ort, der sonst nicht für Bestattungszwecke genutzt wird“, so Francesco Fontani, Doktorand an der Abteilung für Kulturerbe der Universität Bologna und Bologna und Erstautor der Studie.

Die Studie umfasste auch DNA-Analysen der heutigen Einwohner, insbesondere aus der Stadt San Lorenzo Bellizzi in der Provinz Cosenza. Mehr als 700.000 genetische Varianten haben die Forscher analysiert, mit dem Ziel, die Spuren der komplexen demografischen Geschichte der Region zu rekonstruieren.

„Die Analyse der antiken DNA der in der Höhle von Pietra Sant’Angelo gefundenen Überreste zeigt dass das Individuum eine starke genetische Verwandtschaft mit den ersten europäischen Bauern aufweist, die vor etwa 8.000 Jahren nach Europa kamen, und insbesondere mit Populationen aus dem Peloponnes und Anatolien“, erklärt Donata Luiselli, Professorin am Institut für Kulturerbe an der Universität Bologna und Koordinatorin der Studie.

Die 2019 entdeckte Bestattung lag in einer flachen Grube, ohne Grabbeigaben, auf dem Bauch, den Körper zusammengerollt und das Gesicht dem Boden zugewandt. In der gleichen Zeit, insbesondere in den adriatischen Regionen, umfassten die Bestattungssitten hauptsächlich die Nutzung von Nekropolen in der Nähe von Dörfern oder in richtigen Grabhöhlen. Das Individuum aus der Grotta di Pietra Sant’Angelo ist daher eine Ausnahme von den Bestattungsgewohnheiten im prähistorischen Italien.

Arbeit mit den Zähnen

Die Analysen konzentrierten sich sowohl auf Skelettreste als auch auf einige Zahnsteinfragmente, die an den Zähnen der Leiche gefunden wurden. „Der starke Abnutzungsgrad der Zähne und die Untersuchung der Fasern und Fragmente, die man auf dem Zahnstein analysiert hat, deuten darauf hin, dass dieses Individuum besonders aktiv Werkzeuge herstellte und seinen Mund als dritte Hand benutzte“, sagt Francesco Fontani.

Bestattung in der Höhle in kalabrien
Die Bestattung bei der Auffindung; Foto: Felice Larocca 
Zähne der Bestattung aus Kalabrien
Das unversehrte Gebiss des Individuums; Foto: Alessandra Cinti

„Gerade wegen des guten biomolekularen Erhaltungszustandes der Probe und der Verwendung der modernsten verfügbaren Technologie haben wir beschlossen, auch einige Zahnsteinfragmente genomischen und proteomischen Analysen zu unterziehen“.
Diese molekularen Analysen zeigten das Vorhandensein von Proteinen, die mit einer starken Immunreaktion in der Zeit vor dem Tod in Verbindung stehen, aber auch von Bakterienarten, die mit dem Auftreten von Parodontal- und Zahnfleischinfektionen in schweren Fällen zum Tod führen können. Daraus ergibt sich die von den Wissenschaftlern aufgestellte Hypothese eines schnellen Todes. „Das Fehlen traumatischer Anzeichen oder eindeutiger pathologischer Beweise erlaubt es uns nicht, die Ursachen, die zum Tod des Mannes von Pietra Sant’Angelo geführt haben, mit Sicherheit zu bestimmen“, sagt Francesco Fontani abschließend.

Pressemeldung der Universität Bologna

Originalpublikation:

Fontani, F., Boano, R., Cinti, A. et al. Bioarchäologische und paläogenomische Profilierung der ungewöhnlichen neolithischen Bestattung in der Grotta di Pietra Sant’Angelo (Kalabrien, Italien). Sci Rep 13 , 11978 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-39250-y

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