Liquid Footprints. Water, Urbanism, and Sustainability

Cover zu Liquid Footprints. Wasserversorgung im römischen Reich wird in dieser Dissertation verhandelt.

Die Wasserversorgung in der römischen Welt beeindruckt noch heute. Dabei sind es vor allem die Aquädukte, die das Interesse einer breiteren Leserschaft finden. Aber römische Wasserwirtschaft beschränkt sich nicht allein auf diese Meisterwerke der Technik- und Architekturgeschichte. Wie vielfältig diese sein kann, zeigt das hier vorzustellende Buch von Marc A. Locicero, welches als Dissertation an der Universität Leiden entstanden ist. Dieser Umstand prägt natürlich den Charakter des Buches.

Bevor der Autor zu seiner detaillierten Untersuchung kommt, die er in sieben Kapitel zuzüglich zweier Anhänge und einer Bibliografie gliedert, gewährt er in einem Vorwort (S. 10–11) einen Überblick zu den Inhalten des Buches. Damit erlaubt er dem Leser, einen schnellen Überblick zum Thema zu erhalten. Oft genug neigt dieser dazu, Vorworte nur zu überfliegen, jedoch lohnt es sich an dieser Stelle, genauer hinzuschauen, weil hier doch der eine oder andere thematische Hinweis zu finden ist.

Das erste Kapitel (S. 14–31), als Einführung verstanden, liefert einen Überblick zu dem Ort der Untersuchung, Ostia, jener Hafenstadt, die für die Versorgung Roms über Jahrhunderte hinweg von zentraler Bedeutung war. Dies ist für den Leser, der sich nicht so in der Materie auskennt, überaus hilfreich. Mit einem allgemeinen Überblick zur Geschichte der Wasserversorgung in römischer Zeit, die über den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung hinausgeht, schafft Locicero die Grundlage für eine Einordnung der Forschungen in Ostia. Sicherlich für jeden interessant ist ein Überblick zur Ausgrabungsgeschichte der antiken Stadt, der unbestritten eine zentrale Rolle der archäologischen Forschung zukommt.

Im Rahmen seiner Einführung legt der Autor auch verschiedene Parameter fest, die für seine Forschungen von Interesse sind. Zu Recht hebt Locicero die Bedeutung der sich über die Zeit hinweg massiv veränderten Landschaft hervor. Dass sich sein Augenmerk auf den Aspekt „Wasser“ richtet, liegt in der Natur der Dinge, weil diesem für die städtische Entwicklung eine wichtige Rolle zukommt.

Nachdem er sich mit den verschiedenen Grundlagen befasst hat, kommt der Autor zum Kernthema seiner Abhandlung, der Wasserversorgung. Diese gliedert er in vier Abschnitte, die im 4. Jh. v. Chr. beginnen und im 6. Jh. n. Chr. enden.

Nicht nur für den Leser interessant, sondern auch für die Publikation wichtig ist die Frage, welche Aspekte Locicero für seine Datensammlung gewählt hat. Sicher ein kluger Entschluss war seine Begrenzung auf drei Insulae; dabei bezieht sich der Begriff auf ein Stadtquartier und nicht auf jene Mietskasernen, die das Stadtbild großer römischer Städte prägten. Der Stichprobenumfang reicht sicher vollkommen aus, um zu schlüssigen Ergebnissen zu gelangen. Bei den ausgewählten Insulae – wie wohl bei allen anderen auch – sieht der Autor aber durchaus Interpretationsprobleme, die sich vorrangig aus den Restaurierungsarbeiten des 19. und 20. Jhs. ergeben.

Das zweite Kapitel (S. 32–49) beschäftigt sich mit Theorie und Methodik. Locicero folgt dabei dem Prinzip, mit einer Einführung zu beginnen, der eine Reihe von fünf thematischen Abschnitten folgt.  Je nach Länge dieser Abschnitte hat er sich für eine weitere Untergliederung entschieden, die dem Text Struktur und somit Orientierung für den Leser geben.

Locicero sieht in seiner Arbeit einen neuen Ansatz, der im Gegensatz zur traditionellen, technikorientierten Methodik steht. Sein erklärtes Ziel ist es, die Bestandteile der physischen Wasserversorgung Ostias zu identifizieren und herauszufinden, wie das System sich veränderte und wann dieser Wandel stattfand.

Um seine Untersuchung breit aufzustellen, stellt der Autor die verschiedenen Aspekte antiker und moderner Modelle zur städtischen Infrastruktur vor. Darüber hinaus gibt er einen kurzen Überblick zum Forschungsstand im Bereich eines nachhaltigen Ressourcenmanagements. Basierend auf diesen Grundlagen betrachtet er die städtische Wasserversorgung in römischer Zeit.

In drei weiteren Kapiteln (S. 50–294) stellt Locicero die verschiedenen, geschickt gewählte Insulae vor. Dabei handelt es sich um die Insulae III 1, IV 2 und V 2, die unterschiedliche Gebäudetypen und jeweils 12 bis 14 Häuser aufweisen. Damit lässt sich ein durchaus repräsentativer Querschnitt darstellen. Es ist müßig, an dieser Stelle auf jedes dieser Kapitel einzugehen, da sie der gleichen Methodik folgen.

Grundsätzlich stellt er jeweils eine Einführung voran, in der er die Situation allgemein beschreibt. Es folgt eine Darstellung seiner hier angewandten Methode, die recht kurz ausfällt. Weitaus größeren Raum nimmt dann die Beschreibung der Wasseranlagen in den einzelnen Gebäuden ein. Dabei erlauben Zwischenüberschriften einen schnellen Überblick. Darüber hinaus gibt er jeweils am Ende eines Kapitels eine zeitliche Analyse sowie eine Zusammenfassung.

Ausgehend von den Ergebnissen, die Locicero in den vorangegangenen drei Kapiteln erarbeitet hat, versucht er sich im sechsten Kapitel (S. 295–319) mit einer Analyse der großen Entwicklungen des Wasserverbrauchs in Ostia. Seine Verfahrensweise zielt darauf ab, alle drei Insulae in den anfangs definierten zeitlichen Abschnitten (4. Jh. v. Chr. – 50 v. Chr., 50 v. Chr. – 200 n. Chr., 200 – 300 n. Chr. und 300 – 600 n. Chr.) darzustellen. Aufgrund der Befundlage fallen die Ergebnisse, besonders der ersten Phase, unterschiedlich aus.  Mit einer solchen Untersuchung will der Autor unterschiedliche Entwicklungen in einzelnen Bereichen der Stadt hervorheben. Sein Ziel ist es, ein differenziertes Bild vom Leben im antiken Ostia zu gewinnen. Ein wichtiges Resultat besteht wohl darin, dass die Wasserversorgung aus republikanischer Zeit auch später die urbanen Strukturen prägte.

Im letzten Kapitel (S. 320–323), das als Zusammenfassung verstanden werden kann, zeigt Locicero auf, welche positive Wirkung aus der interdisziplinären Zusammenarbeit und unterschiedlichen Forschungsansätzen entstehen kann. So seien hier neben den klassischen Methoden der Archäologie etwa Untersuchungen der Sinterablagerungen in Wasseranlagen erwähnt. Er betont aber auch, dass seine hier vorgelegte Untersuchung für die zukünftige Erforschung römischer Städte neue Sichtweisen eröffnen könne. Darüber hinaus seien verschiedene Aspekte des modernen Wasserverbrauchs als Ergebnis der Arbeit erheblich deutlicher geworden.

In zwei Anhängen (S. 326–363) fasst er tabellarisch die besprochenen Anlagen mit relevanten Daten zusammen. Für den Leser, der sich intensiv mit dem Thema beschäftigen will, ist dies mit Sicherheit nützlich.

Die Publikation verfügt über eine reiche Ausstattung an Schwarz-Weiß-Fotos und Plänen. Anzumerken ist aber, dass die Fotos nicht immer in guter Qualität abgedruckt sind und dies nicht unbedingt deren Alter geschuldet ist.

Die Pläne sind in der Regel so groß angelegt, dass die Beschriftungen gut lesbar sind. Die Legenden wiederholen sich bei vielen Darstellungen, unabhängig davon, ob die Symbole tatsächlich benötigt werden. Das ist manchmal etwas verwirrend, weil der Leser nach Dingen sucht, die nicht in der Abbildung enthalten sind. Diesem Problem hätte man entgehen können, indem die einzelnen Symbole nicht als Strichzeichnungen dargestellt, sondern farblich hinterlegt worden wären. Ein verzeihlicher Fehler – als Autor kennt man die aufkommende Hektik kurz vor der Druckfreigabe – hat sich in Kapitel 6 eingeschlichen; die Seite 300 wurde doppelt gedruckt.

Die umfassende Bibliografie (S. 364381) ist gegliedert in antike Quellen (Primary Ancient Sources) (364 f.) und moderne Literatur (Academic Sources) (S. 365–381). Sie erfasst weitestgehend die relevanten Publikationen bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Es wäre allerdings schön gewesen, wenn etwa statt der veralteten Loeb-Ausgabe des Frontinus-Textes aus dem Jahr 1925 die Edition von Fanny del Chicca von 2004 Eingang in die Publikation gefunden hätte.

| Dr. Wolfram Letzner, Hamm

Marc A. Locicero,

Liquid Footprints. Water, Urbanism, and Sustainability in Roman Ostia. Archaeological Studies Leiden University 46

Leiden: University Press 2020, 400 S., 280 Abb. 64,50 €

Cover Die Trajanssäule

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