Homo naledi: Keine Felskunst und Bestattungen?

Ein Forschungsteam schätzt Beweise für Bestattungen und Felskunst durch den Homo naledi als unzureichend ein.


Der Homo naledi war ein kleinhirniger Hominide, der vor 241.000 bis 335.000 Jahren lebte. Seine potenziellen Hinterlassenschaften im Rising Star-Höhlensystem in Südafrika sind Gegenstand der Forschung. Laut aktuelle Studien im Journal eLife habe der Homo naledi dort seine Toten bestattet und Felskunst geschaffen. Diese Aussagen haben eine Gruppe von Experten unter der Leitung des Centro Nacional de Investigación sobre la Evolución Humana (CENIEH) veranlasst, einen Artikel im Journal of Human Evolution zu veröffentlichen. In diesem geben sie einen tiefen Einblick in die wissenschaftlichen Beweise, die den Entdeckungen in der Rising Star-Höhle wirklich zugrunde liegen.

Schädel eines Homo naledi
Schädel eines Homo naledi (Foto: Martinvl / Wikimedia Commons).

María Martinón-Torres, Direktorin des CENIEH, Michael Petraglia vom Australian Research Centre for Human Evolution an der Griffith University, Diego Gárate von der Universidad de Cantabria und Andy I. R. Herries von der La Trobe University in Melbourne sind die Mitautoren dieses Artikels. Dieser legt die erste offizielle Kritik an dem Forscher Lee Berger (Universität Witwatersrand) und seinem Team dar.

Die Homo naledi im Höhlensystem Rising Star

Laut Bergers Team hat die Ausgrabung im Höhlensystem Rising Star die ersten Belege für gezielte Bestattungen durch eine Hominidenart hervorgebracht. Sie behaupten auch, dass der Homo naledi Feuer benutzte, um die dunklen Gänge der Höhle zu beleuchten. So hätten die Hominiden die Leichen von mindestens drei Individuen in die Tiefen des Systems getragen. Dort hätten sie Gräber ausgehoben, in die sie die Leichen legten und dann mit Sedimenten bedeckten.

In der Höhlenvorkammer befand sich in unmittelbarer Nähe der Hand einer der Hominiden ein Steinwerkzeug. Laut Bergers Team hätten die Homo naledi es verwenden haben können, um die Schraffuren und geometrischen Formen wie Quadrate, Dreiecke und Kreuze, die im Höhlensystem entdeckt wurden, einzugravieren.

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Keine eindeutigen Beweise

Das Forschungsteam unter der Leitung des CENIEH hält die bisher vorgelegten Beweise nicht für ausreichend überzeugend. Weder um anzunehmen, dass der Homo naledi seine Toten absichtlich bestattet, noch dass er die vermeintlichen Gravuren ausgeführt hätte.

Wie Martinón-Torres erklärt „benötigen wir mehr Dokumentation und umfassende wissenschaftliche Analysen, bevor wir ausschließen können, dass natürliche Einflüsse und post-depositionale Prozesse für die Anhäufung von Körpern oder Körperteilen verantwortlich waren oder zeigen, dass Gräber absichtlich von Homo naledi ausgegraben und gefüllt wurden“. Petraglia fügt hinzu, dass „es leider eine klare Möglichkeit gibt, dass das vermeintliche Steinartefakt, das sich in der Nähe der Hand des Hominiden befindet, ein Geofakt ist und nicht das Ergebnis von Bearbeitung durch Homo naledi ist“.

Herries seinerseits erklärt, dass „es keine Beweise dafür gibt, dass Homo naledi das Feuer beherrschte, und leider bleiben die möglichen Brandstellen undatiert. Diese könnten eher natürliche Brände gewesen sein, die in Höhlen überhaupt nicht ungewöhnlich sind“. Abschließend stellt Diego Gárate fest: „Wir benötigen ebenfalls detaillierte Analysen, um zu zeigen, dass die sogenannten ‚Gravuren‘ tatsächlich von Menschen gemacht wurden, da solche Markierungen durch natürliche Verwitterung des Gesteins oder durch Tierkrallen entstehen können“.

Nach einer Meldung des Centro Nacional de Investigación sobre la Evolución Humana (CENIEH)

Originalpubliaktion: María Martinón-Torres, Diego Garate, Andy I.R. Herries, Michael D. Petraglia, No scientific evidence that Homo naledi buried their dead and produced rock art, Journal of Human Evolution, 2023, 103464, https://doi.org/10.1016/j.jhevol.2023.103464

Debatten nicht nur um die „Bestattungen“ des Homo naledi:

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