Monumentaler etruskischer Tempel in Vulci entdeckt

Archäologinnen und Archäologen der Universität Freiburg und der Universität Mainz konnten in Vulci eines der größten bekannten Sakralgebäude der Etrusker identifizieren. Die Schichten des Tempels geben Einblick in über 1000 Jahre Entwicklung einer der wichtigsten etruskischen Metropolen.

Das Ausgrabungsareal in Vulci aus der Vogelperspektive
Der Blick von oben zeigt die Position des neu entdeckten Tempels neben dem Tempio Grande. (Foto: Mariachiara Franceschini)

Ein interdisziplinäres Team um die Archäolog:innen Dr. Mariachiara Franceschini der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Paul P. Pasieka der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat in der antiken Stadt Vulci in der italienischen Region Latium einen bislang unbekannten etruskischen Tempel entdeckt. Der 45 mal 35 Meter große Bau befindet sich westlich des bereits in den 1950er Jahren ausgegrabenen Sakralgebäudes, des sogenannten Tempio Grande.

Nach ersten Untersuchungen der Schichten des Fundaments der bislang ausgegrabenen nordöstlichen Ecke des Tempels und den darin gefundenen Objekten datieren die Forschenden den Bau des Tempels gegen Ende des sechsten oder Anfang des fünften Jahrhunderts vor Christus. „Der neue Tempel hat ungefähr die gleichen Abmessungen und eine ähnliche Ausrichtung wie der benachbarte Tempio Grande, der zeitgleich in archaischer Zeit erbaut wurde“, erklärt Franceschini. „Diese Dopplung von Monumentalbauten in einer etruskischen Stadt ist selten und spricht für einen besonderen Befund“, ergänzt Pasieka. Die Forschungsgruppe entdeckte den Tempel im Rahmen des im Jahr 2020 gestarteten Projekts „Vulci Cityscape“, bei dem die Besiedlungsstrategien und urbanistischen Strukturen der Stadt Vulci aufgearbeitet werden. Vulci, eine der zwölf Städte des etruskischen Bundes, gehörte in vorrömischer Zeit zu den wichtigsten urbanen Zentren des heutigen Italiens.

Neue Erkenntnisse zur Stadtgestaltung und -entwicklung
„Wir haben den gesamten nördlichen Bereich von Vulci, also 22,5 Hektar, mit geophysikalischen Prospektionen und dem Georadar untersucht“, erklärt Pasieka. „Wir entdeckten Reste aus der Ursprungszeit der Stadt, die man in Vulci bislang vermisst hat und können nun Siedlungsdynamiken besser verstehen und Straßensysteme sowie unterschiedliche funktionale Bereiche in der Stadt erkennen.“ Erste Mauerstücke aus massiven Tuffsteinen konnten die Forschenden ab 2021 freilegen. „Unser Wissen um das Aussehen und die Organisation etruskischer Städte ist bislang noch sehr begrenzt“, erläutert Franceschini. „Die intakten Schichten des Tempels geben uns aber Einblick in eine über tausendjährige Entwicklung einer der wichtigsten etruskischen Metropolen.“

Gruppenfoto der Ausgräberinnen und Ausgräber im Grabungsschnitt, im Hintergrund ein Bauwagen und Arbeitsgeräte
Das Ausgrabungsteam im Sommer 2022 auf dem Feld. (Foto: Mariachiara Franceschini)

In den kommenden Jahren wollen die Wissenschaftler:innen die Nutzungsphasen und das genaue architektonische Aussehen des Tempels genauer untersuchen, um mehr über die Religion der Etrusker, das soziale Gefüge in Vulci und die Lebensrealität der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt zu erfahren.

Fritz Thyssen Stiftung und Gerda Henkel Stiftung unterstützen die Ausgrabungen
Das Projekt wird durch die Fritz Thyssen Stiftung (2020-2022) und die Gerda Henkel Stiftung (2022-2023) sowie den Profilbereich „40,000 Years of Human Challenges: Perception, Conceptualization and Coping in Premodern Societies“ der Johannes Gutenberg-Universität Mainz finanziert. Die Abteilung für Klassische Archäologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Arbeitsbereich für Klassische Archäologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz arbeiten mit der Stiftung Vulci, die den archäologischen Park „Parco Naturalistico Archeologico di Vulci“ verwaltet, sowie der italienischen Denkmalpflege „Soprintendenza Archeologia, Belle Arti e Paesaggio per la provincia di Viterbo e per l’Etruria meridionale“ zusammen.

Nach einer Pressemeldung der Universität Freiburg.

ANTIKE WELT 222 Jordanien

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