Antikensammlung Kiel schließt Rückgabevertrag mit Italien

Glockenkrater in der Antikensammlung Kiel: Das rotfigurige Bild zeigt eine nach links gerichtete, sitzende, geflügelte, männliche Sphinx mit Haube und Polos; links vor ihm eine hohe, hinter ihm eine kleine Pflanze.
Glockenkrater: Das Bildnis zeigt eine nach links gerichtete, sitzende, geflügelte, männliche Sphinx mit Haube und Polos; links vor ihm eine hohe, hinter ihm eine kleine Pflanze. (Foto: Antikensammlung, Kunsthalle zu Kiel)

Das Abkommen steht – und alle Partner profitieren. Konkret geht es um die Rückgabe von vier Vasen aus der Antikensammlung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) an den italienischen Staat. Die Kunststücke sollen im Jahr 2024 an die „Tutela Patrimonio Culturale“ zurückgegeben werden. Im Austausch erhält die Kieler Sammlung Leihgaben aus dem italienischen Bestand. Prof. Dr. Annette Haug, Leiterin der Kieler Antikensammlung, hatte die Details des Kulturabkommens auf deutscher Seite in enger Zusammenarbeit mit dem damaligen schleswig-holsteinischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) erarbeitet.

Anlass, um den Vertrag aufzusetzen, ist die weltweite Überprüfung von Geschäften des italienischen Kunsthändlers Gianfranco Becchina. Dabei ging es auch um den Kieler Bestand. Vier Objekte – ein Glockenkrater, ein Gnathia-Krater, eine apulisch-rotfigurige Kanne und die bekannte Loutrophore – wurden bei Becchina erworben und stammen höchstwahrscheinlich aus Raubgrabungen in der Region Apulien. Die Loutrophore wurde 1987 mit Mitteln der Kulturstiftung des Landes Schleswig-Holstein erworben. Das Land stellte sie der Kunsthalle zu Kiel – Antikensammlung – als Dauerleihgabe zur Verfügung. Die Kulturstiftung wurde 1984 gegründet und 1995 in eine Stiftung öffentlichen Rechts umgewandelt.

Enge Zusammenarbeit mit italienischen Behörden

Im Februar 2018 waren die Verantwortlichen der italienischen „Tutela Patrimonio Culturale“ mit den Rückgabeforderungen an Prof. Dr. Annette Haug und an das Land Schleswig-Holstein herangetreten. Denn „die Objekte wurden ohne Genehmigung des italienischen Staates entsprechend der dort seit 1909 geltenden Gesetzgebung ausgeführt.

„Wir haben eine moralische Verantwortung, diese Stücke zurückzugeben“, erklärt Professorin Annette Haug. Nach dem damals geltendem deutschen Recht war der Erwerb legal – wenn auch nicht unumstritten. „Die UNESCO-Konvention gilt hierzulande erst seit 2007, das Kulturgüterschutzgesetz trat 2016 in Kraft.“ Mit Dr. Manuel Flecker, Kustos der Einrichtung und dem MBWK arbeitete Haug an einer Lösung.

Ausstellungen mit Leihgaben aus Italien in der Antikensammlung Kiel

Im intensiven und partnerschaftlichen Austausch ist ein bilateraler Vertrag entstanden, der die Rückgabe der Objekte regelt. Diesen haben inzwischen beide Seiten ratifiziert, damit ist er rechtsgültig. Die Vereinbarung sieht vor, dass die Objekte bis zum Jahr 2024 in Kiel verbleiben und anschließend in einer offiziellen Zeremonie übergeben werden. Denn dann schließt die Antikensammlung im Zuge der Restaurierung der Kunsthalle zu Kiel. Nach Wiedereröffnung stellen die italienischen Museen der Antikensammlung jeweils für einen befristeten Zeitraum gleichwertige Leihgaben zur Verfügung.

„Ich sehe es als unsere Verantwortung, die Geschichte hinter den Stücken zum Teil der Ausstellung zu machen. Deswegen planen wir beispielsweise die Ausstellung einer 3D-Replik der Luotrophore, in der wir auf die Raubgrabungen eingehen“, sagt Prof. Haug.

Lutrophore: hohe schmale Vase mit zwei weißen verschnörkelten Henkeln. Der Hals der Vase zeigt einen in weiß aufgemalten weiblichen Kopf in Dreiviertelansicht. Auf den Bauch der Vase befinden sich rotfigurige Darstellungen in zwei Zonen: oben ein Viergespann mit zwei Personen im Wagen und unten drei Jäger mit Hund und ein Mann mit weißem Bart.

Loutrophore: Der Hals zeigt einen weiblichen Kopf in Dreiviertelansicht nach links im Blütenkelch. Der obere Bauch zeigt die Entführung des Kephalos durch die Göttin Eos; der untere Bauch zeigt Jäger, die die Entführung beobachten und einen weißbärtigen Pädagogen. (Foto: Antikensammlung, Kunsthalle zu Kiel)

Antike Originale werden heute nur noch im Rahmen von Stiftung, Schenkung oder Dauerleihgabe in die Sammlung aufgenommen. „Unser Ankauf hat sich auf den Erwerb von Gipsabgüssen verlagert.“ Dr. Manuel Flecker, Kustos der CAU Sammlung, bekräftigt: „Die Antikensammlung Kiel lehnt den Ankauf von antiken Objekten aus dem Kunsthandel heutzutage grundsätzlich ab, da die Provenienz der Objekte zumeist problematisch ist“.

Umstrittener Vasenerwerb

Die Kieler Antikensammlung hat die Vasen in den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts erworben. Nach dem damals geltenden deutschem Recht war der Erwerb legal, wenn auch nicht unumstritten. „Rückwirkend ist man zu einer Rückführung der Objekte zwar nicht verpflichtet, wir haben aber eine moralische Verantwortung, diese Stücke zurückzugeben“, erklärt Professorin Annette Haug. „Raubgrabungen zerstören weltweit wissenschaftliche Erkenntnisse. Erst wenn Museen und Privatleute auf den Erwerb solcher Objekte konsequent verzichten, ist ein entscheidender Schritt zum Schutz von Kulturgütern und auch zum Verständnis anderer Kulturen getan. Mit der Rückgabe wollen wir ein Zeichen setzen.“

Nach einer Pressemeldung der Universität Kiel

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