Why those who shovel are silent

Entdecker, Abenteurer, Gelehrte. Die Vor- und Darstellung von Archäologen ist bis heute oft die wagemutiger Forscher, die in unwegsamem Gelände antike Stätten der Erde und damit der Vergessenheit entreißen. Nur wenig beachtet – sowohl in den Grabungsberichten als auch in der öffentlichen Darstellung von Archäologie – werden dabei die zahlreichen Grabungsarbeiter. Ihren häufig sehr schlechten Arbeitsbedingungen widmet Allison Mickel ihr 2021 erschienenes Buch „Why Those Who Shovel Are Silent. A History of Local Archaeological Knowledge and Labor“.

Heldenhafte Menschen, die sich in unbekannte Landschaften vorwagen, um das Wissen antiker Kulturen nach unzivilisierten Jahrhunderten zurück ans Licht zu bringen und in gelehrte europäische Hände zu übergeben. Diese Vorstellung von Archäologie entwickelte sich im Kontext des Kolonialismus und der Erforschung und Eroberung der außereuropäischen Welt, insbesondere des islamischen Vorderasiens. Aufzuzeigen, dass die damit verbundenen Arbeits- und Denkweisen weiterhin existieren und insbesondere von westlichen Forschenden geleitete Ausgrabungen prägen, ist Allison Mickels Anliegen.

In der vorliegenden Studie analysiert sie die Arbeitsprozesse und die ihnen zugrundeliegenden Denkweisen auf Ausgrabungen in Petra, Jordanien, und Çatalhöyük, Türkei. Ihre Ergebnisse vergleicht sie zudem mit ähnlichen Forschungen in anderen Weltregionen. In ihrer Analyse stellt Mickel fest, dass Grabungsarbeiter in allen Teilen der Welt lange ähnlich abschätzig behandelt wurden, nämlich als ungebildete Hilfskräfte, deren Aufgaben auf körperliche Tätigkeiten ohne geistigen Anspruch beschränkt sind.

Dass auch Grabungsarbeiter einen Expertenstatus haben, der aber von den Archäologen häufig nicht gesehen und abgefragt wird, zeigt Mickel eindrucksvoll. Mittels Netzwerkanalysen verdeutlicht sie, dass beide Gruppen einen je eigenen Wissensstand haben, über den sie sich aber nicht austauschen. Hier zeigt sich, dass wertvolles Wissen verloren geht, wenn die Erfahrungen und Beobachtungen der Arbeiter nicht in die Grabungsauswertung einfließen.

Seit den 1980er Jahren gibt es Ansätze, dem entgegenzuwirken, die Archäologie selbstkritischer zu gestalten und die Perspektiven verschiedener Gruppen stärker zu berücksichtigen. So illustriert die Autorin an den beiden Beispielen Petra und Çatalhöyük, wie die bisherige Form der Arbeitsorganisation hinterfragt und verändert werden kann.

Obwohl diese Ansätze zu mehr Wissen und besseren Arbeitsbedingungen führen, haben sie an den postkolonialen Praktiken nur bedingt etwas geändert. Entsprechend spricht sich die Autorin dafür aus, Ausgrabungsprozesse um neue Formen und Verständnisse von Wissenschaftlichkeit zu erweitern, die das lokale Wissen und die regionalen Formen der Wissensentstehung und -vermittlung stärker berücksichtigen.

„Why those who shovel are silent” ist ein wichtiges zeitgeistiges und wissenschaftlich fundiertes Buch, das Daten aus Interviews, Fachliteratur und Beispiele zu einem Gesamtbild der Arbeitsbedingungen und Denkweisen auf außereuropäischen Ausgrabungen verwebt. Dabei zeigt das Buch auf, wie die damit verbundenen normativen Widersprüche und Schwierigkeiten in den letzten Jahrzehnten diskutiert und Arbeitsstrukturen geändert wurden. Zugleich gibt sie noch ein anderes, wissenschaftliches Argument an die Hand – und das ist wohl die große Stärke des Buches. So dürfte kaum diskutabel sein, dass die Generierung und Dokumentation so viel fachlichen Wissens wie möglich stets der Anspruch von Forschung sein sollte. Damit ist das Vorgehen auf Ausgrabungen jedoch nicht vereinbar, sondern trägt sogar antiwissenschaftliche Züge.

Mit solchen unbequemen Wahrheiten lässt die Autorin den Leser aber nicht allein. Ihre Analyse ergänzt sie konstruktiv um Positivbeispiele, sodass Bisheriges in Frage gestellt wird, sich aber zugleich ein neues Bild der Arbeitsweisen auf archäologischen Ausgrabungen entwickelt.

| von Kristin Oswald, M.A.

Produktdetails

Why Those Who Shovel Are Silent. A History of Local Archaeological Knowledge and Labor
Allison Mickel
University Press of Colorado 2021, 218 S., 20 Abb., Hardcover Price $74.00, Paperback Price $26.95, Ebook Price $21.95


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