Sog. Eurymedon-Kanne oder Perserkanne

attisch-rotfigurig, um 460 v. Chr.
Umkreis des Triptolemos-Malers
Fundort unbekannt
Ton; H. 20,5 cm, H. (ergänzt) 23,8 cm,
Dm. 13,3 cm
Museum für Kunst und Gewerbe
Hamburg Inv. 1981.173

Bildnachweis © Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg;
Foto: Maria Thrun

Exponat im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg

Zu den bedeutendsten Objekten des Museums für Kunst und Gewerbe Hamburg zählt diese Oinochoe der seltenen Form VII, die als sog. Perserkanne (auch «Eurymedon- Kanne») bekannt ist. Auf Seite A läuft ein nackter, nur mit einem vor der Brust verknoteten Mantel bekleideter Mann nach rechts. Seinen linken Arm hat er vorgestreckt, mit dem rechten hat er sein Geschlecht (Phallos) ergriffen. Die kappenartige Frisur weist vor der Stirn und
im Nacken einzelne Strähnen auf; des Weiteren sind ein Kinnbart und ein kleiner Bart an der Wange angegeben. Seite B zeigt einen stehenden, vorn übergebeugten Orientalen in einem mit Kreisen versehenen Jacken-Hosen-Kostüm nach rechts. Den Kopf und Oberkörper hat er in seltener Weise dem Betrachter der Vase frontal zugedreht. Beide Hände sind zum Kopf erhoben, ein antiker Schreckensgestus. Den bärtigen Kopf bedeckt eine sog. Phrygische Mütze mit abstehenden Seitenlaschen. Über seinen linken Arm hat der Orientale einen Gorytos (Pfeilköcher) mit eingestecktem Bogen hängen. Vom Mund des Griechen auf Seite A verläuft die in weißen Buchstaben angebrachte Inschrift Eurymédon eim[í]. kybáde hésteka («Ich bin Eurymedon –
Nach vorne gebeugt») zum Fuß des Orientalen auf Seite B.

Deutung

Die Deutung dieses Vasenbildes bedarf einiger historischer Vorkenntnisse: Seit dem letzten
Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr. waren die Spannungen zwischen Griechen, insbesondere
den griechischen Poleis im Westen Kleinasiens, und dem Perserreich gewachsen. Sie führten
schließlich zu den Perserkriegen, in denen Athen und seine Verbündeten 490 v. Chr. in der
Schlacht von Marathon und 480 v. Chr. vor der Insel Salamis und bei Plataiai Flotte und Heer
des persischen Großkönigs besiegen konnten. Der Konflikt schwelte jedoch weiter, und es
kam zu weiteren Auseinandersetzungen. Am kleinasiatischen Fluss Eurymedon (in der Nähe
des heutigen Antalya) gelang dem Attisch-Delischen Seebund unter der Führung Athens und
seines Strategen Kimon 469 oder 466 v. Chr. in einer Doppelschlacht zu Lande und zu Wasser
ein umfänglicher Sieg. Ganz offensichtlich nehmen Grieche und Orientale auf der «Perserkanne
» auf dieses Ereignis Bezug.

Der Vasenmaler bediente sich bei seiner Darstellung des bekannten Sujets der Liebesverfolgung.
Für den Betrachter überraschend war der in Schockstarre verharrende Orientale, der
im nächsten Moment von seinem Verfolger vergewaltigt und sexuell erniedrigt werden würde.
Wieso wurde der glänzende Sieg am Eurymedon so erniedrigend «in Szene gesetzt»?
Es fällt auf, dass der Grieche durch ein Fell und seine Haar- und Barttracht als halb-barbarisch
gekennzeichnet wurde. Kimon war zwar väterlicherseits Athener, seine Mutter stammte
aber aus Nordgriechenland, und es gab familiäre Verbindungen nach Thrakien. Offensichtlich
spielt das Bild genau auf diesen Umstand an – ein einzigartiges Bild! Der komische und irritierende
Aspekt dieses Vasenbildes lässt an ein Theaterstück, demnach eine Komödie denken.

| Frank Hildebrandt

Dieser Beitrag stammt aus dem Archäologischen Kalender 2020, der 24 Exponate des mkg Hamburg präsentiert.
Informationen zum Museum finden Sie unter

www.mkg-hamburg.de

Archäologischer Kalender 2021, wbg zabern

Präsentiert 24 Exponate aus dem Rheinischen Landesmuseum Trier. Die Kuratoren des Museum erzählen die Geschichte der Objekte.

Archäologischer Kalender 2021