Von Hannibal zu Hitler: „Rom und Karthago“

Cover: Von Hannibal zu Hitler. "Rom und Karthago"

Dieses wichtige Buch geht auf eine Tagung zurück, die die Herausgeber, Michael Sommer und Tassilo Schmitt, im Jahr 2013 in Delmenhorst durchführten. Thema dieser Tagung war die Auseinandersetzung mit dem Buch „Rom und Karthago“, einem nationalsozialistischen Sammelwerk, das 1943 im Rahmen des „Kriegseinsatzes der Altertumskunde“ als Teil der NS-„Aktion Ritterbusch“ von dem Tübinger Althistoriker Joseph Vogt herausgegeben worden war. An dem damaligen Sammelwerk beteiligten sich neben Vogt selbst acht weitere Wissenschaftler – namentlich Erich Burck, Wilhelm Enßlin, Matthias Gelzer, Reinhard Herbig, Alfred Heuß, Franz Miltner, Fritz Schachermeyr und Fritz Taeger –, die in ihren Beiträgen jeweils einen Aspekt ihrer Forschung unter der vom Herausgeber festgelegten Vorgabe, die Bedeutung des Rasseaspekts im Ringen zwischen Rom und Karthago zu beleuchten, ausführten.

In der vorliegenden Tagungspublikation von Sommer und Schmitt werden die einzelnen Beiträge des Sammelbandes von 1943 nacheinander vorgestellt, analysiert und die Aussagen der Gelehrten in deren jeweiliges wissenschaftliches Schaffen vor, während und nach der NS-Zeit eingeordnet. Darüber hinaus liefern Kurzbiographien zusätzliche Informationen zu den Beiträgern des Sammelwerks. Dies bietet der heutigen Leserschaft nicht nur eine kompetent kommentierte Zusammenfassung der jeweiligen Beiträge von 1943 mit ihren teils antisemitischen, teils nationalistischen, in einigen Fällen sich aber auch den Wünschen des Regimes entziehenden Thesen zum Konflikt zwischen „semitischen“ Karthagern und „arischen“ Römern, sondern erlaubt auch einen wichtigen Blick auf die Art und Weise, wie die einzelnen Wissenschaftler nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit ihrem Beitrag in dem Sammelwerk umgingen und wie ihre weiteren Karrieren verliefen. Dies ist besonders aufschlussreich, da die Gelehrten nach Kriegsende wissenschaftlich tätig blieben – mit Ausnahme Gelzers, der schon 1915 Professor in Greifswald geworden war, hatten sich alle erst während der Weimarer Republik oder in der NS-Zeit habilitiert – und zum Teil glänzende Karrieren machten.

Untersucht wird in dem vorliegenden Buch auch, was die damaligen Verfasser bewogen haben könnte, sich an einem so offensichtlich propagandistischen Werk wie „Rom und Karthago“ zu beteiligen; während dies bei dem Nationalsozialismus nahestehenden Gelehrten wie Fritz Schachermeyr oder Reinhard Herbig (wie Dorothea Rohde beziehungsweise Martin Dennert herausarbeiten) nicht allzu sehr verwundert, mag es bei etablierten älteren Wissenschaftlern wie Alfred Heuß (diskutiert von Hans-Joachim Gehrke) oder Matthias Gelzer (dargelegt von Tassilo Schmitt) eher überraschen. Auch hier bieten die Autorinnen und Autoren interessante Denkanstöße und Überlegungen zum weiteren Umgang mit den Beiträgen von damals, über die Frank-Rutger Hausmann 1998 geschrieben hatte, dass etwa die Hälfte der Aufsätze in „Rom und Karthago“ heute noch bestehen könnten. Nach der Lektüre von Sommers und Schmitts Aufsatzsammlung kann man sich hierüber nun ohne Schwierigkeiten ein wohlinformiertes eigenes Urteil bilden.

| von Dr. phil. Marion Bolder-Boos, Darmstadt

Produktdetails

Von Hannibal zu Hitler. »Rom und Karthago« 1943 und die deutsche Altertumswissenschaft im Nationalsozialismus
Michael Sommer / Tassilo Schmitt
Darmstadt: wbg Academic 2019, S. 294, 10 s/w Abb., € 50,00 (D)


Cover Die Trajanssäule

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