1,6 Millionen Jahre alte Gebrauchsspuren an Steinwerkzeugen

Ein internationales Projekt untersucht 1,6 Millionen Jahre alte Gebrauchsspuren an Steinwerkzeugen aus Melka Wakena im äthiopischen Hochland.

Experten der Hebräischen Universität Jerusalem in Israel, der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, der Universität Algarve in Portugal und dem Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) in Mainz, untersucht derzeit zahlreiche Steinwerkzeuge aus dem Fundort Melka Wakena im äthiopischen Hochland. Die 1,6 Millionen Jahre alten Werkzeuge aus unterschiedlichen Materialien stammen aus der Altsteinzeit. Um Rückschlüsse auf ihren ursprünglichen Gebrauch zu ziehen, werden die verwendeten Rohstoffe in den Laboren des LEIZA untersucht. In MONREPOS finden Untersuchungen äußerlicher Spuren im Labor für Gebrauchsspurenforschung und kontrollierte Experimente statt. Zudem setzt das Forschungsteam nun auch einen 3D-Computertomografen ein. Dieses Vorgehen macht verborgene Gebrauchsspuren im Inneren der Gesteinsmaterialien sichtbar und bringt sie mit den äußerlichen Spuren in einen kausalen Zusammenhang.

„Wir untersuchen die Hypothese, dass die frühen Menschen die verschiedenen Steinrohstoffe gezielt nach bestimmten Verwendungszwecken der Werkzeuge auswählten“, erklärt Projektleiterin Prof. Erella Hovers vom archäologischen Institut der Hebräischen Universität Jerusalem und ergänzt: „Frühere Studien haben bereits eindeutige Zusammenhänge zwischen verschiedenen Werkzeugtypen und Rohstoffen festgestellt, aber die genaue Verwendung der Werkzeuge bleibt unbekannt. Unser Ziel ist es, die spezifische Verwendung durch die Analyse der verwendeten Rohstoffe und der Gebrauchsspuren zuzuordnen.“

Analyse der Rohstoffe nach den CT-Scans.
Analyse der Rohstoffe nach den CT-Scans (Foto: R.Müller / LEIZA).

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Analyse von Gebrauchsspuren in MONREPOS: Simulation von Schlageinwirkungen an Knochen


Eine Reihe von Untersuchungen im spezialisierten Labor für Gebrauchsspurenforschung und kontrollierte Experimente (Laboratory for Traceology and Controlled Experiments, TraCEr) in MONREPOS, einem weiteren Standort des LEIZA, geht dem Verwendungszweck der Schlagwerkzeuge mit kontrollierten Experimenten nach. Hierzu wurden die entsprechenden Rohstoffe auf Schlageinwirkungen und Aufprallbewegungen an Knochen getestet. Teamkollege Dr. Eduardo Paixão fasst zusammen: „Unsere vorläufigen Daten helfen uns, die Gebrauchsspuren auf den unterschiedlichen Gesteinsmaterialien der altsteinzeitlichen Funde zu charakterisieren und herauszufinden, welchen Vorteil der jeweilige Rohstoff für welche spezifische Verwendung haben könnte. Um den finalen Verwendungszweck zu bestimmen, untersuchen wir die herbeigeführten Schadensmuster in der inneren Struktur des Gesteinsmaterials mit dem Computertomografen.“

Kooperationspartner Dr. Sören Tholen ist Postdoktorand am Institut für Geowissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er gibt einen Einblick in die Beschaffenheit der Rohstoffe: „Vorläufige Beobachtungen aus den CT-Scans bestätigen, dass sich die verschiedenen Materialien unterschiedlich verhalten: Vulkanische Schlacke ist zum Beispiel ein sehr poröses Material, das beim Aufprall verdichtet wird. Basalt kann hingegen viel dichter sein. Durch die im Gestein vorhandene Risse und eingeregelten Minerale kommt es hier häufig zu einem Bruch entlang einer klar erkennbaren Vorzugsrichtung.“ Endgültige Ergebnisse zu den Untersuchungen werden im nächsten Jahr publiziert.


3D-Computertomograf seit Sommer 2023 am LEIZA im Einsatz


Der 3D-Computertomograf im Wert von 1,3 Millionen Euro bietet dem archäologischen Forschungsinstitut der Leibniz-Gemeinschaft eine weitere zerstörungsfreie Untersuchungsmethode. Größere Objekte von bis zu 2,5 Metern, einem Durchmesser von maximal 1 m und dem Gewicht bis zu 100 kg können mit einer Auflösung von 100 Mikrometern im LEIZA gescannt werden. „Mit dem 3D-CT sehen wir beispielsweise, was sich in einer Blockbergung befindet, um zu entscheiden, ob die Artefakte innerhalb des Erdklumpens restauriert oder nur konserviert werden sollen. Durch das Verfahren ist es uns nun auch möglich, in verschlossene Gefäße zu schauen, ohne sie zu öffnen. Damit schützen wir das Objekt vor weiteren Schäden“, fasst Dr. Ivan Calandra, Laborleiter für bildgebende Verfahren am LEIZA, zusammen.

Die Rekonstruktion von vergangenen Herstellungstechniken sowie der Dokumentation von Befunden und Artefakten durch zerstörungsfreie Untersuchungsmethoden sind weitere Anwendungsmöglichkeiten. Ziel ist es, diese Informationen aus der Forschung der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neben der Untersuchung von Objekten ermöglicht das System auch die Digitalisierung von Exponaten und liefert aufgrund der dreidimensionalen Informationen neue Erkenntnisse.

Nach einer Pressemeldung des Leibniz-Zentrum für Archäologie

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