Älteste menschliche Spuren im Hochland von Tibet

Der Innsbrucker Geologe Michael Meyer hat mit einer neuartigen Form von Lichtsignal-Messungen erstmals prähistorische Werkzeug-Artefakte einer Ausgrabungsstätte im südlichen Tibet direkt datiert. Die Funde sind mehr als 5.000 Jahre alt und somit die ältesten Belege für menschliche Besiedelung in diesem Teil Tibets.

Das tibetische Hochland. Credits: Universität Innsbruck.

Steinwerkzeuge datieren

Werkzeuge aus Stein werden von Menschen und ihren Vorfahren seit Millionen von Jahren hergestellt. Für die archäologische Forschung weltweit sind diese Steinartefakte und die dabei entstehenden Abschlagsplitter von zentraler Bedeutung. Sie zählen zu den häufigsten Fundstücken in archäologischen Ausgrabungsstätten in aller Welt. Die Analyse und Datierung dieser Steinartefakte stellen bis heute für die Archäologie eine große Herausforderung dar.

In der Regel ist es nicht möglich Steinwerkzeuge zu datieren. Sondern nur wenn sie zusammen mit beispielsweise organischem Material in Sedimentschichten eingebettet sind. Diese organischen Reste können – zum Beispiel mit der Radiokarbon-Datierung – altersbestimmt werden. Fehlen solche datierbaren organischen Überreste oder befinden sich Steinartefakte nicht in einem sedimentären Verband, sondern verstreut auf der Erdoberfläche, ist die Datierung schwierig oder oft schlichtweg nicht möglich.

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Höhle diente als Depot für Neandertaler-und Tierknochen

In der Guattari Höhle bei Circeo fanden Forschenden die fossilen Überreste vom Neandertaler. Die Knochen werden neun Individuen zugeordnet. Zudem fanden Forschende Knochen von Hyänen, die Reste von Elefanten, Nashörnern, Höhlenbären und dem Auerochsen.

„Die Erdoberfläche ist besonders über lange Zeiträume gesehen zahlreichen äußeren Einflussfaktoren ausgesetzt. Die exakte Bestimmung der Entstehung und Verwendungszeit von Steinartefakten, die als Oberflächenfunde auftreten, ist daher bislang kaum möglich gewesen. Viele Aspekte historischen menschlichen Verhaltens sind uns nur als Oberflächenartefakte überliefert und somit nicht exakt einordbar. Mit einer Weiterentwicklung unserer Lumineszenz-Methode können wir nun erstmals genaue, direkte Datierungen von Steinartefakten vornehmen. Dazu haben wir Artefakte einer Ausgrabungsstätte in der südlichen Tibetanischen Hochebene herangezogen“, erklärt Michael Meyer. Er ist Leiter des Lumineszenz-Labors am Institut für Geologie der Universität Innsbruck.

Die Optisch Stimulierte Lumineszenz (OSL)-Datierung basiert auf der Messung von gespeichertem Licht. Sie ist eines der wichtigsten Werkzeuge zur Altersbestimmung in der Archäologie und den Erdwissenschaften. „Bei dieser Datierungsmethode nutzen wir natürliche Lichtsignale, die sich im Laufe der Zeit anreichern. Häufig wenden wir diese Methode für Quarz- und Feldspatkörner an, die man sich als kleine Mini-Uhren vorstellen kann. Dabei ist jedes Korn sozusagen eine winzige Uhr, die wir unter kontrollierten Laborbedingungen ‚ablesen‘. Das Lichtsignal lässt uns auf das Alter der archäologischen Sedimentschichten schließen. Je mehr Licht, desto älter das Sediment“, so der Geologe. „In dieser Studie haben wir nun einen völlig neuen Weg beschritten. Weil wir uns nicht auf diese Sandkörner, sondern auf die Oberflächen der Steinartefakte selbst fokussierten“.

Abbau von Gestein vor mehr als 5.000 Jahren

Das trockene und sehr hoch gelegene Hochland von Tibet ist für archäologische Untersuchungen von großem Interesse. Denn es gilt aufgrund seiner extremen Umwelt- und Klimabedingungen als jene Region der Erde, die der Mensch als letzte besiedelte. Wann genau dieses abgeschiedene Gebiet durchgehend besiedelt wurde, sorgt seit Jahren für viel Diskussionsstoff unter Expertinnen und Experten.

2017 konnte Michael Meyer bereits in einer viel beachteten Studie die berühmten Fuß- und Handabdrücke von Chusang im zentralen Teil des tibetischen Hochplateaus erstmals gesichert auf ein Alter zwischen 8.000 und 12.000 Jahren datieren. In der nun veröffentlichten Studie analysierte Meyer mit seinem Team im Innsbrucker OSL-Labor archäologische Fundstücke aus dem Süden Tibets: Die Ausgrabungsstätte Su-re liegt im Norden des Mount Everest-Cho Oyu Massives im so genannten Tingri Graben auf einer Höhe von 4450 Metern. Oberflächenartefakte sind in Tibet besonders häufig anzutreffen.

Zu ihrer Datierung verwendete der Forscher erstmals für die Ausgrabungen aus dem südlichen Teil des Tibetischen Hochplateaus das so genannte „Rock Surface Burial Dating“-Verfahren, eine Art „Gesteinsverschüttungsdatierung“. Bei diesem Verfahren wird jener Zeitpunkt bestimmt, als das jeweilige Steinartefakt von Erde bedeckt wurde – und somit vom Menschen nicht mehr benutzt wurde.

Die Vorteile der Lumineszenz-Methode

„Wir können mit unserer Lumineszenz-Methode quasi in das Innere des Steins blicken und ein durchgehendes Alters-Tiefenprofil erstellen. Das Innere eines Gesteins ist nie dem Sonnenlicht ausgesetzt, daher haben wir dort ein gesättigtes Lumineszenz-Signal und ein infinites hohes Alter. Ist die Gesteinsoberfläche jedoch für längere Zeit dem Tageslicht ausgesetzt, bleicht das Signal in den obersten Millimetern und Zentimetern des Gesteins immer weiter aus – oder wird sogar gelöscht.

Das passiert, während Menschen das Steinwerkzeug herstellen und verwenden. Wenn das Artefakt dann wieder zumindest teilweise verschüttet und vom Licht abgeschirmt wird, lädt sich das Signal in dieser äußersten Gesteinsschicht wieder auf.  Durch die Messung dieses tiefenabhängigen Lumineszenzsignales in den Gesteinsoberflächen können wir das Alter der Artefakte genau berechnen, und dabei oft auch die Dynamiken der lokalen Erdoberflächenprozesse berücksichtigen und somit Steinartefakte, die als Oberflächenfunde auftreten, datieren“, erklärt Meyer.

Die Analysen an den Oberflächenartefakten von Süd-Tibet ergaben ein Alter zwischen 5.200 und 5.500 Jahren. „Wir gehen davon aus, dass die Artefaktfunde im Zusammenhang mit dem Abbau von Gesteinen an diesem Ort stehen“. Damit handelt es sich um die ältesten Spuren menschlicher Präsenz in der südlichen Tibetischen Hochebene.
Für Michael Meyer ist die Analyse der historischen Steinwerkzeuge aus Tibet erst der Anfang: „Diese OSL-basierte Methode eröffnet viele Perspektiven zur Generierung neuer Erkenntnisse in vielen anderen archäologischen Untersuchungen und Ausgrabungsstätten weltweit“, ist der Geologe überzeugt.

Nach Pressemeldung der Universität Innsbruck.

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