Abschriften von Johann Joachim Winckelmann neu untersucht

Johann Joachim Winckelmann gilt als Begründer der wissenschaftlichen Kunstgeschichte und der Archäologie im deutschsprachigen Raum. In einem großen Forschungsprojekt untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der TU Darmstadt nun aber auch die Einflüsse anderer Gelehrter auf sein Werk. Grundlage bildeten für Winckelmann insbesondere die Schriften italienischer, französischer und englischer Gelehrter, die er allerdings in Auszügen abschrieb und damit sogenannte Exzerpthefte füllte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert deshalb das Projekt für drei Jahre mit knapp 1,1 Millionen Euro.

Eine Seite aus den Exzerptheften von Johann Joachim Winckelmann
Eine Seite aus den Exzerptheften von Johann Joachim Winckelmann
Foto: Bibliothèque Nationale de France, Département des manuscrits, Paris, Sign. Allemand, Bd. 62, Bl. 73r

Einflüsse über Exzerpte erfassen

Exzerpte waren viele Jahrhunderte lang die gängigste Methode, um Wissen zu „speichern“. Auszüge aus den Werken anderer Autoren wurden abgeschrieben, dienten als Erinnerungshilfe für Gelesenes, aber auch als Reservoir für eigene Werke. „Exzerpte waren bis ins 19. Jahrhundert für alle Wissenschaftler sehr wichtig. In der Forschung finden sie heute bislang jedoch noch wenig Beachtung“, so die Germanistin Prof. Dr. Elisabeth Décultot, Humboldt-Professorin und Direktorin des Interdisziplinären Zentrums für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA) an der MLU. Sie leitet das neue Projekt zu den Exzerptheften Johann Joachim Winckelmanns (1717-1768) gemeinsam mit Prof. Dr. Paul Molitor vom Institut für Informatik der MLU und Prof. Dr. Andrea Rapp von der TU Darmstadt. In einer großen Digitaledition sollen die Exzerpthefte zusammen mit den Originalwerken, aus denen Winckelmann diese abgeschrieben hatte, und entsprechenden Textstellen in seinen eigenen Werken veröffentlicht und mit entsprechenden Querverweisen versehen werden.

„Das Projekt soll deshalb als Pilotprojekt zur Erforschung solcher Exzerpte dienen“, so Décultot. Während sie ihre Expertise zur Kunstgeschichte und Winckelmanns Werken einbringt, steuern die Projektpartner ihre Erfahrung im Bereich der Digital Humanities bei. Molitor betreut deswegen die technische Seite des Projekts, die Philologin Rapp bringt ihre Expertise bei der digitalen Textanalyse ein. Die Digitaledition soll im Open-Access-Verfahren für weitere Forschung zur freien Verfügung gestellt werden.

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Plagiate der Vergangenheit

Dadurch will das Team unter anderem den Umgang Winckelmanns mit fremden Texten erforschen durch die Verbindung der verschiedenen Texte. „Diese Exzerpte hat er nicht als Zitat gekennzeichnet, deshalb gibt es in seinen Werken viele Fälle von dem, was man heute Plagiat nennen würde“, so Décultot. Der Vergleich mit den Exzerptheften soll daher helfen, herauszufinden, an welchen Stellen er Textteile mit oder ohne Nennung der Autorschaft verwendet.

Bevor die Werke digital verglichen werden können, müssen sie jedoch vollständig erschlossen werden. „Die Exzerpthefte umfassen circa 7.500 Seiten, zu einem Großteil aus Werken fremdsprachiger Autoren“, sagt Décultot. Diese liegen allerdings zu einem Großteil bereits digital in Form von Scans vor und müssen nun in Textform erfasst und teils übersetzt werden. „Winckelmann hat eine Vielzahl kunsthistorischer Begriffe im Deutschen geprägt, indem er französische oder italienische Wörter als Grundlage nutzte“, so die Wissenschaftlerin. Deswegen hofft Décultot mithilfe der computergestützten Analyse weitere bisher noch nicht aufgedeckte Verbindungen zwischen Winckelmanns Quellen und seinen eigenen Werken zu finden.

Winckelmann wurde 1717 in Stendal geboren und studierte für vier Semester an der Universität Halle und anschließend in Jena. Danach arbeitete er als Hauslehrer und Bibliothekar, bevor er schließlich nach Italien reiste und man in Rom zum „Aufseher aller Altertümer im Kirchenstaat“ ernannte. Er gilt u.a. deswegen als Begründer der modernen Kunstgeschichte und Archäologie.

Nach Pressemeldung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

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