Die Ausstellung „Nero: the man behind the myth“

Diesen Monat eröffnet das British Museum die erste große Ausstellung in Großbritannien über Nero. Er ist einer der berüchtigtsten römischen Kaiser der Antike.

Büste von Nero
Marble bust of Nero. Italy, around AD 55. Photo by Francesco Piras. © MiC Museo Archeologico Nazionale di Cagliari

Antike Quellen hinterfragen

Die Ausstellung „Nero: the man behind the myth“ erforscht die wahre Geschichte des fünften römischen Kaisers. Grundlegend dabei sind neue Forschungsergebnisse und archäologischer Funde aus dieser Zeit. Dadurch werden die voreingenommenen historischen Darstellungen in Frage gestellt, die nach Neros Tod verfasst wurden und sein Vermächtnis geprägt haben.

Jüngste Entdeckungen, die sich auf Neros vierzehnjährige Herrschaft beziehen, offenbaren hingegen ein genaueres Bild. Schätze, die bei der Zerstörung von Colchester in den Jahren 60-61 n. Chr. während Boudicas Iceni-Aufstand versteckt wurden, verbrannte Artefakte aus dem Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr. und Beweise aus der Zerstörung von Pompeji enthüllen ein neues Verständnis von Neros turbulenter und falsch verstandener Herrschaft.

Die Ausstellung zeigt über 200 Objekte. Sie alle dokumentieren den Aufstieg des jungen Kaisers zur Macht und seine Handlungen in einer Zeit tiefgreifender sozialer Veränderungen in allen Regionen des Reiches. Die Ausstellung stammt zum Teil aus der Sammlung des British Museum. Sie enthält aber auch seltenen Leihgaben aus Europa, von denen die meisten noch nie zuvor in Großbritannien zu sehen waren. Zudem können Besuchende bescheidene Graffiti neben großartigen Skulpturen, kostbare Manuskripte, im Brand von Rom zerstörte Objekte, unbezahlbaren Schmuck und Sklavenketten aus Wales sehen. Alle Stücke erzählen gleichermaßen die Geschichte der Reichen und Armen.

Nero (reg. 54-68 n. Chr.), der letzte männliche Nachkomme von Roms erstem Kaiser Augustus, bestieg den Thron im Alter von nur sechzehn Jahren. Britannien war gerade einmal elf Jahre lang unter römischer Herrschaft gewesen. Während seiner fast vierzehnjährigen Herrschaft ließ er seine eigene Mutter, seine erste Frau und angeblich auch seine zweite Frau umbringen.

Schriftliche Berichte behaupten sogar, dass Nero selbst den Großen Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr. gelegt hat. Im Juni n. Chr. 68 wurde Nero, als er mit Rebellionen von aufmüpfigen Militärs konfrontiert wurde, gezwungen, Selbstmord zu begehen. Der römische Senat löschte anschließend sein Andenken aus den offiziellen Aufzeichnungen. Anschließend verunglimpfte man seinen Name, um die neue herrschende Elite zu legitimieren.

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Zwischen Erfindung und Wahrheit

Das Bild von Nero als Tyrann, das die Historiker Tactitus, Suetonius und Cassius Dio Jahre nach seinem Tod schufen, wird seit Jahrhunderten immer wieder wiederholt. Heute wissen wir, dass dieser Nero eine Erfindung ist und dass antike Quellen zwischen uns und der historischen Figur stehen. Diese Ausstellung stellt traditionelle Vorurteile in Frage. Und geht der Frage nach, was die antike Elitenerzählung über Nero uns über die inneren Konflikte der römischen Gesellschaft erzählt.

Denn Statuen von Nero wurden im ganzen Reich errichtet, doch aufgrund der offiziellen Unterdrückung seines Bildes haben nur wenige überlebt. Ein Starstück der Ausstellung ist ein bronzener Kopf Neros, der lange als Claudius missverstanden wurde. Man fand ihn 1907 im Fluss Alde in Suffolk. Der Kopf gehörte zu einer Statue, die wahrscheinlich in Camulodunum (Colchester) stand. Jedoch riss man sie während des von Boudica angeführten Aufstandes ab. Eine kleine Bronzefigur von Nero, eine Leihgabe des Museo Archeologico Nazionale di Venezia, die zum ersten Mal in Großbritannien zu sehen ist, vermittelt einen seltenen Eindruck von einer vollständigen Skulptur.

Ein weiteres Highlight der Ausstellung ist der Fenwick-Hort. Diesen fand man 2014 unter dem Boden eines Geschäfts in der High Street von Colchester. Der Schatz wurde von Siedlern, die während Boudicas Angriff um ihr Leben flohen, zur Sicherheit vergraben. Unter den Gegenständen befinden sich römische republikanische und kaiserliche Münzen, militärische Armbänder und modischer Schmuck, der den Funden aus Pompeji und Herculaneum sehr ähnlich ist.

Fenwick Hortfund
The Fenwick Hoard, England, AD 60–61. © Colchester Museums.

Das öffentliche Bild des Kaisers

Nero war der erste römische Kaiser, der auf der Bühne agierte und bei öffentlichen Spielen als Wagenlenker antrat. Im Alter von 21 Jahren stand Nero zunächst im Rahmen privater Spiele auf der Bühne, aber einige Jahre später trat er öffentlich in Neapel und dann in Rom selbst auf. Dieses Ereignis wurde in feindlichen Quellen als beispiellos und skandalös beschrieben, aber zeitgenössische Belege zeigen, dass Nero kaum der erste junge Mann aus gutem Hause war, der an öffentlichen Aufführungen teilnahm. Wagenrennen, Gladiatorenkämpfe und Theater waren in der römischen Welt unglaublich populär, wie faszinierende Objekte wie Gladiatorenwaffen aus Pompeji, die eine Leihgabe des Louvre sind, atemberaubende Fresken, die Schauspieler darstellen, und Theatermasken, die das Museo Archeologico Nazionale di Napoli verleiht, zeigen.

Einer der prägenden Momente von Neros Herrschaft war der Große Brand von Rom im Jahr 64 n. Chr., der neun Tage lang brannte und dabei große Teile der Stadt verwüstete. Allerdings haben erst Ausgrabungen in den letzten Jahren das wahre Ausmaß der Grausamkeit und der Auswirkungen des Feuers offenbart. Ein verbogenes eisernes Fenstergitter, das in der Nähe des Circus Maximus entdeckt wurde, wird zum ersten Mal in Großbritannien ausgestellt und ist außerdem ein Zeugnis für die Intensität der Flammen und der Zerstörung.

Nero, der das Inferno nicht in seinem Palast, sondern in der nahe gelegenen Stadt Antium beobachtete, leitete die Hilfs- und Wiederaufbaumaßnahmen. Ein neuer Palast, die Domus Aurea, erhob sich danach aus der Asche. Atemberaubende Fresken und Wanddekorationen geben den Besuchern einen Vorgeschmack auf Neros opulente Residenz. Die aufwendigen Entwürfe und die Verwendung von kostbaren Materialien wie exotischem Marmor, Zinnober und Gold sprechen zudem von der Höhe des kaiserlichen Luxus.

Fresko aus dem Domus Aurea
Fresco fragments from the Domus Aurea, Italy, AD 64–68. © The Trustees of the British Museum

Wer war Nero?

Die Besucher werden sich fragen: Wer war Nero? Ein junger Herrscher, der gegensätzliche Ansprüche in einer Zeit großer Veränderungen unter einen Hut brachte, oder ein gnadenloser, mörderischer Wahnsinniger? Nero wurde von den einfachen Römern aufgrund seiner populären Politik, seiner extravaganten Spiele und seiner großartigen Bauprojekte weithin bewundert – im krassen Gegensatz zu den mächtigen Stimmen der senatorischen Autoren, die letztlich Neros Vermächtnis bestimmten. Sie sind es, die das bleibende Bild des wahnsinnigen Tyrannen fabrizierten, das uns noch heute fasziniert.

Thorsten Opper, Kurator, Antikes Rom, British Museum, sagte: „Der Nero unserer allgemeinen Vorstellung ist eine völlig künstliche Figur, die vor 2000 Jahren sorgfältig erschaffen wurde. Es ist faszinierend, zu enträtseln, wie und warum dies geschah. Die Ausstellung – von der Hofkunst bis zum Straßengraffiti – offenbart eine Gesellschaft, die wohlhabend und dynamisch war, aber auch voller innerer Spannungen, die nach Neros Tod in einem gewalttätigen Bürgerkrieg ausbrachen. Die Objekte erzählen diese Geschichten, unverblümt und unmittelbar.‘

Hartwig Fischer, Direktor des British Museum, sagte: „Nero: the man behind the myth“ ist die erste große Ausstellung in Großbritannien, die über die allgemein verbreitete Sichtweise von Nero als dem Kaiser, der tändelte, während Rom brannte, hinausgeht. Die Darstellung Neros in der Ausstellung trifft den Nerv unserer Zeit, in einer Welt mit wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen, umstrittenen Fakten und polarisierten Meinungen. Ich möchte außerdem unserem langjährigen Ausstellungspartner bp meinen Dank aussprechen. Ohne ihre Unterstützung wäre das British Museum nicht in der Lage, solche Ausstellungen zu präsentieren, die es den Besuchern ermöglichen, den komplexen Charakter Neros zu erkunden – real und imaginär.‘

Nach Pressemeldung des British Museum.

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