JGU trägt zur Erforschung des neu entdeckten Poseidontempels nahe Kleidi-Samikon bei

Bereits vor rund 2.000 Jahren hat der griechische Geschichtsschreiber Strabon Hinweise auf ein Heiligtum an der Westküste der Peloponnes gegeben. Nun konnten nahe der Küste bei Kleidi-Samikon Reste eines archaischen Tempels freigelegt werden, der vermutlich zum Tempelbezirk des Poseidon gehörte. Forschende des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) haben mit Beteiligung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zusammen mit der Denkmalbehörde für Klassische Altertümer der Region Elis Gebäudereste gefunden, die auf einen archaischen Tempel hindeuten, der auf dem Gelände des Poseidonheiligtums lag und vielleicht sogar dem Gott selbst geweiht war. Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Andreas Vött vom Geographischen Institut der JGU war an den Erkundungen mit Direct-Push-Sondierungen und Bohrungen beteiligt.

Zu sehen sind zwei Forscher, die auf einem Feld in der Nähe des archaischen Tempels bei Kleidi stehen bzw. sitzen. Vor ihnen befindet sich ein Laptop sowie eine Maschine für den Einsatz des Direct-Push-Systems.
Einsatz des Direct-Push-Systems zur Erkundung des Untergrunds als Basis für die Erstellung von Szenarien des Küsten- und Landschaftswandels im Umfeld des archaischen Tempels bei Kleidi. Auf dem Hügel im Hintergrund ist die Stadtmauer der nahe Kleidi liegenden antiken Stadt Samikon zu sehen. Foto/©: AG Vött, JGU

Lage von Kleidi-Samikon durch besondere Küstenkonfiguration gekennzeichnet

Die Fundstelle bei Kleidi-Samikon gehört zu einer ganz besonderen Küstenregion im Westen der Peloponnes: An dem weitgeschwungenen Golf von Kyparissia liegt eine Hügelgruppe aus drei Festgesteinshügeln, die von Küstenschwemmland umgeben ist in einer ansonsten von Lagunen und Küstensümpfen dominierten Landschaft. Nicht zuletzt aufgrund der exponierten und sicheren Lage etablierte sich hier schon in mykenischer Zeit eine Siedlung, die über mehrere Jahrhunderte Bestand hatte und Kontakte nach Norden und Süden entlang der Küste aufwies. Seit 2018 führt Andreas Vött an dieser Stelle geoarchäologische Untersuchungen durch, um zu klären, wie diese außerordentliche Situation zustande gekommen ist und welche Küstenveränderungen im Umfeld von Kleidi-Samikon stattgefunden haben. Dazu arbeitete er in mehreren Kampagnen mit Dr. Birgitta Eder, Direktorin der Außenstelle Athen des ÖAI, und Dr. Erofili-Iris Kolia, Direktorin der regional zuständigen Denkmalschutzbehörde, zusammen.

„Im Zuge dieser Studien zeichnet sich bisher ab, dass die Hügelgruppe bis ins 5. Jahrtausend vor Christus vom offenen Ionischen Meer umspült wurde. Danach hat sich meerseitig ein ausgedehntes Strandwallsystem gebildet, das im Umfeld mehrere Lagunen vom Meer abgetrennt hat“, beschreibt Vött, Professor für Geomorphologie, die Entwicklung. Die Küstenregion wurde den Untersuchungen zufolge wiederholt von großen Tsunami-Ereignissen erfasst – sowohl in vorgeschichtlicher als auch in historischer Zeit, zuletzt im 6. Jahrhundert und im 14. Jahrhundert nach Christus. Dies deckt sich mit bekannten Tsunamis, die historisch für 551 und 1303 nach Christus überliefert sind. „Im Altertum stellte die Hügelsituation eine elementar wichtige Erhebung dar, um sich trockenen Fußes von Norden nach Süden und umgekehrt entlang der Küste bewegen zu können“, so Vött.

Im Herbst 2021 fand der zu den Untersuchungen hinzugezogene Geophysiker Dr. Dennis Wilken von der Universität zu Kiel an einer Stelle am östlichen Fuß der Hügelgruppe, die aufgrund von Voruntersuchungen auffällig war, Hinweise auf Baustrukturen. Diese Baustrukturen stellten sich nun anhand erster Grabungen von Birgitta Eder im Herbst 2022 als die Fundamente eines archaischen Tempels heraus, bei dem es sich um den lange gesuchten Tempel des Poseidon handeln könnte. „Die Lage des gefundenen Heiligtums stimmt bis ins Detail mit textlichen Überlieferungen und Beschreibungen von Strabon überein“, so Birgitta Eder vom Österreichischen Archäologischen Institut.

Im Rahmen eines mehrjährigen Programms soll nun eine detaillierte archäologische, geoarchäologische und geophysikalische Untersuchung des Bauwerks erfolgen und die Frage nach seiner exakten Einbindung in eine Küstenlandschaft mit ausgesprochen lebhaftem Wandel geklärt werden. Vor dem Hintergrund der geomorphologisch und sedimentologisch bereits nachgewiesenen wiederholten Tsunami-Ereignisse soll darüber hinaus der geomythologischen Frage nachgegangen werden, ob die Wahl des Standorts des Poseidon-Heiligtums im Zusammenhang mit solchen Extremereignissen zu sehen ist – wird doch Poseidon, der „Erderschütterer“, in der Antike für Erdbeben und Tsunamis verantwortlich gemacht.

AG „Naturrisiko-Forschung und Geoarchäologie“ ermittelt Küstenveränderungen und extreme Wellenereignisse

Unter der Leitung von Andreas Vött beschäftigt sich die Arbeitsgruppe „Naturrisiko-Forschung und Geoarchäologie“ seit über 20 Jahren mit Fragen der Küstenentwicklung Griechenlands in den vergangenen 11.600 Jahren. Die Untersuchungen finden insbesondere in Westgriechenland von der albanischen Küste bei Korfu über die anderen Ionischen Inseln, den Ambrakischen Golf, die Westküste Griechenlands mit dem Festland und der Peloponnes bis nach Kreta statt. Dabei werden relative Meeresspiegelveränderungen und damit einhergehende Küstenveränderungen erfasst. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Erforschung sogenannter extremer Wellenereignisse – im Mittelmeer vorwiegend Tsunamis – und deren Auswirkungen auf die Küsten und dort lebende Gesellschaften.

Innovative Direct-Push-Sondierungen – neuartig in der Geoarchäologie

Die Arbeitsgruppe erfasst dazu anhand von Bohrkernen die vertikal und horizontal vorgefundenen Veränderungen der Ablagerungstypen und erstellt auf dieser Basis Szenarien des Küsten- und Landschaftswandels. Das Bohrkernarchiv der AG umfasst mittlerweile circa 2.000 Bohrkerne vorwiegend aus Europa. Methodisch beschreitet die Gruppe seit 2016 einen in Deutschland innovativen Weg, indem sie die Technik der Direct-Push-Sondierungen im Gelände nutzt. Hierzu werden unterschiedliche Sensoren hydraulisch in den Untergrund gedrückt, die sedimentologische, geochemische und hydraulische Schlussfolgerungen erlauben. Das Geographische Institut in Mainz ist das einzige geographische Institut bundesweit, das über eine solche Ausrüstung verfügt.

Nach einer Pressemeldung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

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