Scherzgefäße – Schrecken, Staunen, Lachen machen

Gastgeber antiker Feste wollten ihre Gäste nicht nur mit erlesenen Speisen und Getränken bewirten, sondern auch unterhalten. Antike Technik lieferte dafür Objekte, die mit überraschenden Effekten aufwarteten. Es gab Trickgefäße und Brunnen, die scheinbar unerschöpflich waren oder Wasser in Wein verwandeln konnten. Die Reaktion darauf fiel wohl unterschiedlich aus; sie reichte vermutlich vom Lachen über Scherzgefäße bis hin zum Glauben an Wunder.

Im antiken Griechenland war das Symposion, also das Trinkgelage, oft ein ausgelassenes, feucht-fröhliches Fest. Dazu gehörten Trinkspiele, bei denen die Teilnehmer ihre Geschicklichkeit beweisen konnten, indem sie nach dem Weingenuss den Bodensatz ihrer Weinschale mit einer geschickten Drehung auf ein Ziel schleuderten. Dabei dürfte einiges danebengegangen sein; Teil des Spaßes war wohl, dass sich die Mitspieler gegenseitig nass machten. Und bevor sie wieder ihr Glück beim Schleudern versuchen durften, musste eine weitere Schale Wein geleert werden.

Scherzgefäße – nasser Spaß

Manchmal war den Trinkschalen selbst nicht zu trauen: Es gibt Exemplare, deren Fuß so durchbohrt war, dass Wein und Wasser herausspritzten, sobald ein Mundschenk sie einem arglosen Zecher überreichte und dabei die Finger von den Öffnungen nahm. Andere Scherzgefäße spielen mit dem Motiv des Wasserlassens:

In einem Gelagebild auf einer Trinkschale in Berlin ist vor den Symposiasten Trinkgeschirr aufgereiht. Darunter befinden sich Becher, die auf der einen Seite einen Henkel und auf der anderen Seite einen aufragenden Phallos haben.

Leider besitzen wir keine offenen Becher in dieser Form. Doch wäre es interessant zu wissen, wie sie benutzt wurden, ob etwa der Phallos als Trinkrohr fungierte. Immerhin ähneln die Phallosbecher einer weit verbreiteten Gefäßform von Milchbechern für Säuglinge. Vielleicht ließen sich Phallosbecher noch als Schnabeltassen verwenden, wenn ihre Besitzer krank darniederlagen.

Scherzgefäße; Kylix

Attische Kylix (um 480 v. Chr.). Berlin SMPK F 2298. Foto: bpk / Antikensammlung, SMB / Johannes Laurentius.

Wein Cover AiD 123

Das könnte Sie auch interessieren!

Wein – Vom Göttertrank zum Gaumenkitzel

Wein – aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken – ist in der Urgeschichte ein relativ junges Phänomen. Der Erfolgszug der Rebe begann im Vorderen Orient, von wo sie sich in den Mittelmeerraum ausbreitete. Erst mit den Römern wurde Wein nördlich der Alpen in größerem Umfang angebaut. Ganz offensichtlich hatte das Weintrinken jenseits des Genusses immer auch eine besondere kulturelle
und gesellschaftliche Bedeutung.

klepsydra – «wasserstehlende» Scherzgefäße

Die Beobachtung, dass Wasser nicht ausfließt, wenn keine Luft an seine Stelle nachströmen kann, wurde bei einem weiteren Gefäß für Symposien genutzt, der klepsydra . Sie besteht aus einem bauchigen Gefäß mit hohlem Bügelhenkel. Der Boden der klepsydra hat viele kleine Löcher. Wenn sie in Wasser eingetaucht wird, füllt sie sich durch den Siebboden mit Wasser. Sobald sie voll ist, sollte man das Loch oben am Henkel mit einer Fingerkuppe verschließen. Hebt man dann die klepsydra hoch, bleibt das Wasser im Hohlraum. Es kann so bequem an seinen Bestimmungsort getragen werden, wo das Luftloch geöffnet wird, sodass das Wasser wie aus einer Brause abregnet. Ähnliche Objekte heißen heute Stechheber oder Pipette.

Der griechische Philosoph Empedokles, der im 5. Jh. v. Chr. lebte, studierte die klepsydra offenbar mit großem Interesse und leitete aus seinen Beobachtungen eine Erklärung der Atmung von Lebewesen ab. Es gab also schon einen reichen Schatz von Erfahrungswissen um die Eigenschaften von Luft und Wasser und ihrem Zusammenspiel bei Töpferinnen und Töpfern oder Menschen, die mit Metall arbeiteten. Sie wussten, dass Hohlräume, aus denen kein Gas entweichen kann, ein Werkstück im Ofen zum Platzen bringen können, und schufen Abhilfe. Sie nutzten ihr Wissen auch, um die hier vorgestellten Objekte herzustellen.

Scherzgefäße; Schale  aus Vinkovci

Silberschatz aus Vinkovci (Colonia Aurelia Cibalae). Archäologisches Museum Zagreb
Foto: Damir Doračić, Archaeological Museum in Zagreb

Silberschatz aus Vinkovci

2012 wurde in der antiken Stadt Cibalae eine Trinkschale als Teil eines Silberschatzes gefunden, die sich rasch als ein besonderes Stück herausstellte (Abb. s.o.). Durch ihren Boden ist ein Rohr gesteckt, das im Standfuß über einer siebartigen Standplatte endet. In der Schale ist eine Kapsel über das Rohr gestülpt, die von einem hügelförmigen Aufsatz verdeckt wird. Darauf sitzt eine kleine Figur, die ihre leeren Hände vor sich ausstreckt. Diese Konstruktion ist zweifelsohne ein Scherzgefäß mit eingebautem Kapselheber. Eine Inschrift auf dem Rand der Schale identifiziert die sitzende Gestalt als Tantalos. Tantalos ist einer der Büßer in der antiken Unterwelt. Er muss Hunger und Durst leiden, weil sich die Früchte an den Zweigen über ihm seinem Zugriff entziehen und das Wasser, in dem er steht, bei jedem Versuch, es zu trinken, zurückweicht. Gierigen Zechern wird von diesem Trinkgefäß ihr mythisches Spiegelbild vorgehalten, und auch sie bleiben wie Tantalos mit trockenem Mund und nassen Füßen zurück.

Antike Welt 42020
Humor in der Antike

Der vollständige Artikel –
nur in der ANTIKE WELT Ausgabe 4.20

Worüber haben die Menschen der Antike gelacht? Fand man in Babylon Dinge lustig, über die man in Athen gar nicht lachen konnte? Und wie ging man eigentlich im Neuen Testament mit dem Thema Lachen um? Auf diese und zahlreiche andere Fragen gehen zahlreiche Wissenschaftler im Titelthema der ANTIKEN WELT ein.

Autorin: Rita Amedick; Marburg