Frühkaiserzeitliche Gräber in Nîmes ausgegraben

Ausgrabung in Nîmes.
Gesamtansicht der Ausgrabung. (Foto: Marie Rochette, Inrap)

In Nîmes grub ein Team des Inrap ein Gebiet außerhalb der augusteischen Stadtmauer aus. Die Ausgrabung, die im Frühjahr 2022 von Archäologen des Inrap auf Anordnung des Staates (DRAC Occitanie) in der Rue de l’Abattoir 1 bis an der Ecke zur Avenue Jean-Jaurès in Nîmes durchgeführt wurde, brachte antike, mittelalterliche und neuzeitliche Ackerflächen sowie kleine Gräberfelder aus dem 1. bis 2. Jahrhundert hervor.

Die Gräberfelder enthalten Körperbestattungen, sekundäre Brandbestattungen, Scheiterhaufen und vielfältige Beigaben. Außerdem wurden drei Brunnen entdeckt, die für Bestattungen oder landwirtschaftliche Zwecke genutzt wurden.

Das untersuchte Grundstück befindet sich südlich und außerhalb der antiken Stadt, weniger als 50 m von der augusteischen Stadtmauer und der Ringstraße entfernt, die an ihr entlang führte. Einer der Hauptzugänge zur römischen Stadt erfolgte durch das sogenannte Cadereau-Tor, das sich 100 m westlich befand.

Diese Ausgrabung ermöglicht es, die antike Besiedlung dieses noch wenig dokumentierten Vorstadtviertels zu untersuchen, das heute in das moderne Stadtgefüge eingebettet ist, das durch die im 18. Jahrhundert angelegte Avenue Jean-Jaurès strukturiert wird.

Landwirtschaft in Nîmes

Ausgrabung in Nîmes.
Gräben für die Anpflanzung von Weinreben. (Foto: Antonia Persico, Inrap)

Die ältesten Überreste sind Spuren von landwirtschaftlicher Nutzung; sie sind älter als einige Gräber aus dem 1. Jahrhundert, die sie überschneiden. Es handelt sich um lange, schmale Gräben (sulci), die wahrscheinlich für die Anpflanzung von Weinreben bestimmt waren.

Es wurden zwei Felder unterschieden: eine südwestlich-nordöstlich ausgerichtete Gruppe, die vor allem im mittleren und westlichen Teil des Areals beobachtet wurde, und eine mögliche südöstlich-nordwestlich ausgerichtete Gruppe im östlichen Teil des Areals.

An einigen Stellen wurden kleinere Segmente beobachtet, die zwei Gräben senkrecht miteinander verbanden und möglicherweise auf Provignage (eine historische Methode zur Rebenvermehrung im Weinbau) zurückzuführen sind.

Gräber aus der frühen Kaiserzeit

Es wurden fünfzig antike Grabstrukturen ausfindig gemacht, die sich aus Körpergräbern, sekundären Brandbestattungen und Scheiterhaufen zusammensetzten. Während die große Mehrheit der Bestattungen für Erwachsene bestimmt war, wurden mindestens zwei Kindergräber identifiziert. Eine der wissenschaftlichen Herausforderungen des Vorhabens besteht darin, die Organisation und Funktionsweise der Bereiche zu verstehen und die Grabanlagen und -einrichtungen aufzuzeigen.

Die Gräber verteilen sich auf mehrere Gruppen. Im Westen stechen zwei deutlich hervor, während im östlichen Teil des Grundstücks, wo sich mehr als dreißig Grabbeigaben befinden, die Verteilung schwieriger zu erfassen ist. Die schlecht erhaltenen Mauern zeigen jedoch die Grenzen eines Gräberfeldes an, das mindestens sieben Gräber enthielt. Im südlichen Teil der Anlage befand sich auch ein Brunnen. Der Brunnen wurde bis zu einer Tiefe von 3 m ausgegraben und enthielt zahlreiche Knochen von Menschen und Wildtieren und zwei Fragmente einer Inschriftenplatte.

Brunnen für sepulkrale oder landwirtschaftliche Zwecke

Es wurden drei weitere Brunnen entdeckt und teilweise ausgegraben. Der eine, im Süden gelegene, lieferte im oberen Teil seiner Füllung menschliche Knochen von Erwachsenen und Kindern. Zwei Münzen, Keramikfragmente und eine sehr große Anzahl an Tierresten wurden ebenfalls in diesem Schacht gefunden. Die Art dieser Verfüllungen deutet auf eine Nutzung für Bestattungen hin. Bei den beiden westlichen Brunnen ist die Identifizierung unsicherer; sie könnten ebenso gut in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Nutzung stehen. Die oberen Verfüllungen enthielten keine Knochen von Menschen oder Tieren, dafür aber zahlreiche Amphoren- und Keramikfragmente.

Im Mittelalter und in der Neuzeit wurde das Gebiet nicht mehr für Bestattungen genutzt, da für diese nun in die großen Friedhöfen der Stadt genutzt wurden. Stattdessen wurden dort Weinreben und Sträucher angepflanzt.

Nach einer Pressemeldung von Inrap

Cover Antike Welt Sonderheft 1322

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