Benin-Bronzen: Historische Rückgabe an Nigeria

SPK-Präsident Parzinger: Objekte sollen „so zügig wie möglich nach Nigeria“ zurückgeführt werden – Langfristige Leihgaben im Humboldt Forum

Für die sogenannten Benin-Bronzen in der Sammlung des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen zu Berlin soll im zweiten Halbjahr eine Vereinbarung über eine Eigentumsübertragung und Leihgaben mit den zuständigen Stellen in Nigeria geschlossen werden. Das hat der Stiftungsrat der SPK unter Vorsitz von Kulturstaatsministerin Claudia Roth an diesem Montag beschlossen. Unter der Leitung der BKM war seit März 2021 über die Rückführungen verhandelt worden. Auf deutscher Seite war neben Hermann Parzinger auch die Sprecherin der Benin Dialogue Group und Direktorin des Hamburger MARKK, Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt, Barbara Plankensteiner, an den Gesprächen beteiligt.

Reliefplatte mit einem König (Oba) und vier Begleitern. 16. Jh.
Reliefplatte mit einem König (Oba) und vier Begleitern. 16. Jh., III C 8208 (© Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum, Fotograf/in: Claudia Obrocki)

Kulturstaatsministerin Claudia Roth erklärt: „Die Rückgabe von Kulturgütern kann nicht die Wunden der brutalen Kolonialherrschaft heilen, aber sie ist ein erster Schritt für einen neuen Umgang mit der bisher weitgehend ausgeblendeten Vergangenheit. Menschen überall auf der Welt haben ein Recht darauf, Zugang zu ihrem eigenen kulturellen Erbe zu haben. Sie sollen selbst entscheiden zu können, wie dieses bewahrt und an zukünftige Generationen weitergetragen wird. Die Rückgabe der Benin-Bronzen untermauert unser Bekenntnis zur Aufarbeitung unseres Kolonialgeschichte. Sie soll der Anfang sein einer neuen, einer anderen kulturellen Zusammenarbeit.“

„Die Verhandlungen mit der nigerianischen Seite stehen vor einem guten Abschluss. Wir sind uns einig, dass das Eigentum an allen in Berlin befindlichen Objekten, die im Rahmen der sogenannten Britischen Strafexpedition von 1897 in Benin geraubt wurden, an Nigeria übertragen werden soll. Es besteht Einvernehmen mit den nigerianischen Partnern darüber, dass ein Teil dieser Objekte langfristig als Leihgabe in Deutschland verbleiben soll. Eine konkrete Auswahl ist noch nicht getroffen. Die Objekte, die nicht als Leihgabe vorgesehen sind, sollen in Abstimmung mit der nigerianischen Seite so zügig wie möglich nach Nigeria überführt werden“, sagt Hermann Parzinger.

Gedenkkopf eines Königs. 18. Jh.
Gedenkkopf eines Königs. 18. Jh., III C 8196 (© Foto: Ethnologisches Museum der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Fotograf/in: Martin Franken)

Der SPK-Präsident sprach von einer „völlig neuen Dimension der Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Nigeria“. Man sei sich einig, dass die Rückführung nicht den Endpunkt, sondern den Beginn einer neuen Form und neuen Qualität von Kooperation beschreibe: „Die Tatsache, dass Nigeria bereit ist, Deutschland hochwertige Leihgaben zu überlassen, zeigt, dass wir Vertrauen aufgebaut haben. Wir sind stolz darauf, diese Schätze der Weltkultur im Humboldt Forum zeigen zu dürfen.“

Nach einer Pressemeldung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz

Grußwort von Außenministerin Annalena Baerbock zur Unterzeichnung einer politischen Erklärung zur Rückgabe der Benin-Bronzen an Nigeria

Außenministerin Annalena Baerbock, Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten von Nigeria Zubairu Dada, Kulturminister von Nigeria Lai Mohammed, Kulturstaatsministerin Claudia Roth
Außenministerin Annalena Baerbock, Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten von Nigeria Zubairu Dada, Kulturminister von Nigeria Lai Mohammed, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (© Thomas Trutschel/photothek.de)

Rede vom 01.07.2022

„Heute haben wir einen Grund zum Feiern, denn wir haben eine historische Einigung erzielt: die Benin-Bronzen kehren nach Hause zurück. Diese Stücke sind nicht nur beeindruckende Kunstwerke, sie gehören zu den größten Schätzen Afrikas.

Aber ihre Geschichte ist auch eine Geschichte von Kolonialismus und Gewalt.

Diese Bronze hier neben mir ist der „Gedenkkopf eines Königs“. Sie stand früher auf einem Altar, zu Ehren eines Edo-Königs. Als britische Soldaten 1897 im Königreich Benin einfielen, plünderten sie den königlichen Palast und raubten dabei mehr als 5000 Objekte aus Messing und Elfenbein. Darunter war auch der Gedenkkopf.
Es war ein deutscher Konsul und Geschäftsmann, der dieses Kunstwerk einige Wochen später in Lagos kaufte. Mit ihm gelangte die Bronze nach Europa. Dies ist eine Geschichte über europäischen Kolonialismus. Wir sollten nie vergessen, dass Deutschland in diesem Kapitel der Weltgeschichte eine aktive Rolle gespielt hat.

Heute, mehr als 120 Jahre später, sagen wir ganz klar: Dieser Gedenkkopf gehört dem nigerianischen Volk.

Aber das ist nur der Anfang. Mehr als 1000 weitere Objekte aus dem Königreich Benin, die sich noch immer in deutschen Museen befinden, gehören dem nigerianischen Volk. Es war falsch, die Bronzen zu rauben und es war falsch, sie zu behalten – 120 Jahre lang.

In diesem Sinne haben sich alle relevanten Akteure in Deutschland – die Bundesregierung, die Länder und die Museen, die Benin-Bronzen besitzen, – nun darauf verständigt, sie zurückzugeben. Ich freue mich sehr, dass die nigerianische Nationale Kommission für Museen und Denkmäler und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz diese Absicht in die Tat umsetzen. Sie haben eine Vereinbarung unterzeichnet, die das Eigentum dieser beiden wunderschönen Objekte an Nigeria überträgt. Auf dieser Grundlage werden die beiden Kunstwerke nach Nigeria zurückkehren.

Das ist der Anfang, um das geschehene Unrecht zu korrigieren. Weitere solcher Vereinbarungen werden folgen. Deswegen ist das auch ein historischer Moment für uns. Denn wir stellen uns unserer Geschichte des Kolonialismus. Wir wollen aber, dass diese Übereinkunft mehr ist als eine Momentaufnahme. Wir wollen eine neue Phase der kulturellen Partnerschaft zwischen unseren beiden Ländern einläuten.
Dabei ist es wichtig, zurück zu schauen. Aber wir stehen auch hier – als Politikerinnen und Politiker, als Gesellschaft – um gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Dazu werden wir die Zusammenarbeit zwischen unseren Museen stärken und mehr gemeinsame archäologische Projekte durchführen. Damit mehr Menschen in unseren Ländern Zugang bekommen zu Kunstwerken wie denen, die wir heute hier sehen. Vor allem aber unterstützen wir Nigeria dabei, in Benin-Stadt ein neues Museum aufzubauen, in dem künftig auch Benin-Bronzen ausgestellt werden sollen. Es geht darum, unser Wissen gegenseitig zu teilen und auszutauschen, damit wir voneinander lernen.

Meine Damen und Herren,
diese Einigung ist das Ergebnis der harten Arbeit von vielen. Ich möchte mich bei allen Beteiligten für ihren Einsatz bedanken! Wir stehen hier als Politikerinnen und Politiker, aber an dieser Einigung haben so viele Menschen jahrelang gearbeitet – in Museen, in Ministerien, in der Zivilgesellschaft. Und die Arbeit war nicht immer leicht. Ich möchte Ihnen allen danken, insbesondere denjenigen, die heute nicht hier bei uns sein können.

Es ist kein Zufall, dass wir diese historische Einigung mit Nigeria erzielt haben, einem strategischen Partner für uns in Afrika. Das unterstreicht die besondere Qualität unserer heutigen bilateralen Beziehungen. Die Benin-Bronzen erinnern uns daran, dass wir uns unserer Vergangenheit zusammen mit unseren afrikanischen Partnern stellen müssen. Und sie zeigen uns, dass wir, wenn wir Verantwortung übernehmen, eine bessere Zukunft schaffen können: eine Zukunft, die auf Vertrauen und konstruktiver Partnerschaft basiert.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns diesen Tag feiern!

Nicht nur in Nigeria werden Menschen die Benin-Bronzen im Museum sehen können. Auch Deutsche werden die Bronzen sehen können, wenn sie als Leihgaben in Deutschland ausgestellt werden.
Und das ist das Besondere an internationaler Museumskooperation. Es geht nicht nur darum, die Kunstwerke im Museum zu sehen. Es geht auch darum, dass Menschen über sie ins Gespräch kommen. Deswegen sind diese Bronzen auch eine Brücke für Kultur und Geschichte, mit denen wir etwas über Länder lernen, die geographisch weit entfernt von uns sind.

Deswegen würde ich mich freuen, wenn ich in ein paar Jahren zusammen mit Ihnen wieder in ein deutsches Museum gehen könnte, damit wir uns gemeinsam Benin-Bronzen ansehen.

Lassen Sie uns feiern! Denn heute ist ein guter Tag für künftige Generationen, denen wir diese wunderschönen Artefakte zugänglich machen und die damit auch etwas über unsere Vergangenheit lernen können. Und es ist ein guter Tag für unsere Partnerschaft.

Herr Minister Mohammed, Sie haben das Wort!

Ich freue mich sehr darüber, dass wir gemeinsam die Benin Bronzen nach Hause bringen können – dort, wo sie hingehören.“

Nach einer Pressemeldung des Auswärtigen Amtes

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