Spektakulärer Mosaikfund in London

Ausgrabung des neuen großen Mosaikfundes in London.
Ausgrabung am neuen großen Mosaikfund in London. Foto: ©MOLA, Andy Chopping.

Archäologen des MOLA (Museum of London Archaeology) haben ein erstaunlich gut erhaltenes Mosaik freigelegt, das einst den Boden eines römischen Speisesaals zierte. Die Experten haben festgestellt, dass es sich um das großformatigste römische Mosaik handelt, das seit über 50 Jahren in London gefunden wurde. Die Ausgrabungen fanden im Vorfeld des Bauprojekts „The Liberty of Southwark“ statt, einem Projekt des Bauunternehmens U+I und Transport for London (TfL), bei dem im südlich der Themse gelegenen Southwark neue Wohnungen, Geschäfte und Bürogebäude entstehen sollen.

Das vor kurzem freigelegte Mosaik besteht aus zwei Feldern mit äußerst komplexen Dekorationsmustern. Es besteht aus kleinen, farbigen Steinchen (tesserae), die in einen roten Mosaikboden eingelassen sind. Das größere Mosaikfeld zeigt große, farbenfrohe Blütenmotive, die von Bändern aus ineinander verschlungenen Linien umgeben sind – ein als Guilloche bekanntes Motiv. Außerdem sind Lotusblumen und verschiedene geometrische Elemente zu sehen, darunter ein Muster, das als Salomonischer Knoten bekannt ist und aus zwei ineinander verschlungenen Schleifen besteht. Dr. David Neal, ehemaliger Archäologe bei English Heritage und führender Experte für römische Mosaike, schreibt dieses Design der sogenannten „Akanthus-Gruppe“ zu – einer Gruppe von Mosaikherstellern, die im römischen London arbeiteten und einen eigenen, einzigartigen Stil entwickelten.

Das kleinere Mosaikfeld weist eine einfachere Gestaltung auf. Es zeigt zwei salomonische Knoten, zwei stilisierte Blüten und auffällige geometrische Motive in Rot, Weiß und Schwarz. Eine fast exakte Parallele wurde in Trier gefunden – wahrscheinlich waren an beiden Orten die gleichen Mosaizisten am Werk. Dieser Befund liefert ein spannendes Beispiel für die geographische Mobilität der römischen Handwerker, die in London tätig waren.

Archäologe von MOLA bei der Freilegung des kleineren Mosaikfeldes.
Archäologe von MOLA bei der Freilegung des kleineren Mosaikfeldes. Foto: ©MOLA, Andy Chopping.
Römische Wandmalerei aus den Ausgrabungen in Southwark.
Römische Wandmalerei aus den Ausgrabungen in Southwark. Foto: ©MOLA, Andy Chopping.

Das Mosaik befand sich in einem großen Raum, der derzeit als Speisesaal interpretiert wird und den die Römer triclinium nannten. Er enthielt Sofas, auf denen man sich zum Essen niederließ. Von dort aus konnten die Gäste den schönen Fußboden betrachten, während sie ihre Speisen und Getränke genossen. Die Wände dieses Raums waren bunt bemalt, und an der Fundstelle wurden Fragmente von buntem Wandputz gefunden.

Die MOLA-Bauleiterin Antonietta Lerz berichtet: „Dies ist ein einmaliger Fund in London. Es war ein Privileg, auf einem so großen Gelände zu arbeiten, auf dem die römische Archäologie weitgehend ungestört von späteren Aktivitäten ist – als die ersten Farbblitze aus dem Boden auftauchten, waren alle vor Ort sehr aufgeregt!“

Das große Mosaikfeld kann auf das späte 2. oder frühe 3. Jahrhundert n. Chr. datiert werden; der Raum wurde jedoch eindeutig über einen längeren Zeitraum hinweg genutzt. Erstaunlicherweise wurden Spuren eines früheren Mosaiks unter dem jetzt sichtbaren gefunden. Dies zeigt, dass der Speisesaal im Laufe der Jahre renoviert wurde, vielleicht um die Ausstattung den neuesten Moden anzupassen.

Lage der Grabungsfläche im Londoner Stadtzentrum. Gezeigt werden der Flussverlauf und die Stadtmauer in römischer Zeit, im Hintergrund ist blass der heutige Stadtplan hinterlegt,
Lage der Grabungsfläche im Londoner Stadtzentrum (grün). Gezeigt werden der Flussverlauf und die Stadtmauer in römischer Zeit, im Hintergrund ist blass der heutige Stadtplan hinterlegt, Karte: © MOLA, reproduced with permission from Ordnance Survey.

Der Speisesaal könnte Teil eines römischen mansio gewesen sein, eines gehobenen „Motels“, das Unterkunft, Stallungen und Speisemöglichkeiten für staatliche Kuriere und Beamte bot, die von und nach London reisten. Angesichts der Größe des Speisesaals und seiner üppigen Dekoration geht man davon aus, dass nur hochrangige Offiziere und ihre Gäste diesen Raum genutzt haben. Die vollständigen Grundrisse des Gebäudes werden noch freigelegt, aber die derzeitigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass es sich um einen sehr großen Komplex mit mehreren Räumen und Korridoren handelte, die einen zentralen Innenhof umgaben.

Er befand sich in idealer Lage am Rande des römischen Londinium, dessen eigentliches Stadtgebiet sich am Nordufer der Themse befand und etwa der heutigen City of London entspricht. Der neu entdeckte vermutliche mansio-Komplex wurde an dem Flussübergang errichtet, die in die Stadt führte, nicht weit von der Hauptstraße entfernt, die London mit anderen wichtigen Zentren im Südosten Britanniens verband, darunter Canterbury und dem Kanalhafen von Dover. Diese Lage bot eine hervorragende Verkehrsanbindung für den Besuch von Würdenträgern.

In der Nähe der Mansio haben Archäologen ein weiteres großes römisches Gebäude entdeckt, das wahrscheinlich der private Wohnsitz einer wohlhabenden Person oder Familie war. Spuren von reich bemalten Wänden, Terrazzo- und Mosaikböden, Münzen, Schmuck und verzierten Haarnadeln aus Knochen zeugen vom Wohlstand der Menschen, die vor 2 000 Jahren in dieser Gegend lebten.

Die Ausgrabungen an diesem Ort fanden im Rahmen der umfassenden Erneuerung des Bebauung des Areals statt, die 2024 mit der Eröffnung von „The Liberty of Southwark“ abgeschlossen sein soll. Dieses neue Projekt wird zwischen der Southwark Street, dem Redcross Way und der Union Street moderne Arbeitsräume, neue Wohnungen sowie Geschäfte und Restaurants bieten. Gleichzeitig sollen einige der mittelalterlichen Höfe und Gassen des historischen Southwark restauriert werden. Der Bauentwurf der Architekten Allies und Morrison beruht auf einem zeitgemäßen Backsteinstil, der sich in die viktorianische Bebauung der Umgebung eingliedern.

Die Mosaiken werden von einem Restauratorenteam sorgfältig dokumentiert und bewertet. Anschließend werden sie geborgen und abtransportiert, damit genauere Konservierungsarbeiten durchgeführt werden können. Bei dieser Gelegenheit wird es auch möglich sein, die noch vorhandenen Spuren des früheren Mosaiks zu untersuchen. Zukünftige Pläne für die öffentliche Ausstellung der antiken Kunstwerke werden derzeit in Absprache mit dem Southwark Council festgelegt. Schon jetzt ist auf Sketchfab ein 3D-Modell des Fundes verfügbar.

Nach Pressemitteilung der Museum of London Archaeology

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