Heilige Kakao-Haine der Maya entdeckt

Forscher Chris Balzotti steigt eine Steintreppe nahe einer Doline in Coba, Mexiko, hinauf.
Forscher Chris Balzotti steigt eine Steintreppe nahe einer Doline in Coba, Mexiko, hinauf. Foto: Richard Terry.

So wichtig Schokolade für die moderne Gesellschaft auch ist, für die alten Mayas war die Kakaopflanze von noch größerer Bedeutung. Die Maya betrachteten die Kakaobohnen als ein Geschenk der Götter und verwendeten sie aufgrund ihres Wertes sogar als Zahlungsmittel. Daher wurde ihr Anbau von den Maya-Herrschern im Norden Yucatans sorgfältig kontrolliert und Kakaobäume wuchsen nur in heiligen Arealen. Doch bislang war die Lage keiner dieser Haine bekannt.

Eine Forschergruppe aus Mexiko, den USA und Großbritannien versuchte nun Standorte zu ermitteln, die die Maya nutzten, um die für Kakaobäume perfekte Mischung aus Feuchtigkeit, Ruhe und Schatten zu gewährleisten. Während das vorherrschende trockenere Klima der Halbinsel Yucatan für das Wachstum von Kakaobäumen ungünstig ist, stellten sie fest, dass die Dolinen auf der Halbinsel sich sehr gut zu diesem Zweck eignen. Diese trichterförmigen Vertiefungen in der Landschaft schaffen nämlich ein Mikroklima mit genau den richtigen Bedingungen für den Kakaoanbau.

In einer Studie, deren Ergebnisse kürzlich im Journal of Archaeological Science Reports veröffentlicht wurde, führte das Team Bodenanalysen an elf Dolinen durch. Die Forscher stellten fest, dass der Boden von neun dieser Dolinen Hinweise auf Theobromin und Koffein enthielt, zwei Stoffen, die in Kombination eindeutige Biomarker für Kakao darstellen. In mehreren Senkgruben fanden die Archäologen auch Hinweise auf alte Zeremonielle, darunter Treppenrampen für Prozessionen, Steinritzungen, Altäre und Opfergaben aus Jade und Keramik – einschließlich winziger Kakaoschoten aus Keramik.

Kakaobohne von einem Baum in der Doline "Dzadz Ion" in Coba auf der Yucatan-Halbinsel.
Kakaobohne von einem Baum in der Doline „Dzadz Ion“ in Coba auf der Yucatan-Halbinsel. Foto: Brigham Young University.

„Wir haben mehrere Jahre lang nach Theobromin gesucht und an einigen Stellen Kakao gefunden, wo wir ihn nicht erwartet hatten“, erklärt der emeritierte Professor Richard Terry von der Brigham Young University: „Wir waren auch erstaunt, die zeremoniellen Artefakte zu sehen. Meine Studenten seilten sich in eines dieser Sinklöcher ab und sagten: ‚Wow, hier gibt es eine Struktur!‘ Es war eine Treppe, die ein Drittel der Senkgrube mit Steinen ausfüllte.“

Für die Entnahme der Erdproben und ihre Analyse auf Kakao-Biomarker – insbesondere eben Theobromin und Koffein – entwickelte das Team eine neue Methode der Bodenextraktion. Dazu wurden die Bodenproben getrocknet und durch ein Sieb gestrichen, mit heißem Wasser bedeckt, zentrifugiert und durch Extraktionsscheiben geleitet. Die so hergestellten Extrakte wurden mittels Massenspektrometrie analysiert. Um die Empfindlichkeit der Tests zu erhöhen, verglich das Forschungsteam die Ergebnisse der Bodenproben mit sieben Kontrollproben, die nicht mit den Biomarkern in Berührung gekommen waren.

Karte von Coba, Yucatan, Mexico, mit mehreren Dolinen und dem Maya-Handelsweg (Sacbe1).
Karte von Coba, Yucatan, Mexico, mit mehreren Dolinen und dem Maya-Handelsweg (Sacbe1). Grafik: Brigham Young University.

Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Kakaohaine eine wichtige Rolle bei den Ritualen und Handelswegen der Maya spielten und die gesamte mittelamerikanische Wirtschaft beeinflussten. Eine gut ausgebaute Hauptverkehrsader für den Handel, gewissermaßen eine „Maya-Autobahn“ der Region, führt an Hunderten von Dolinen vorbei. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Führer, die den Bau dieser Handelsroute in Auftrag gaben, auch die Haine mit der Kakaoproduktion kontrollierten. Die Beweise für den Kakaoanbau in Verbindung mit den archäologischen Funden stützen auch die Idee, dass Kakao für den religiösen Wechsel von einem Maisgott zu einem Sonnengott bei den Mayas wichtig war.

In einem Erdloch in der Nähe von Coba, Mexiko, einem Dorf 45 Minuten vom heutigen Tulum entfernt, entdeckte die Forschergruppe den Arm einer Figur, die an einem Räuchergefäß befestigt war, sowie mehrere modellierte Kakaoschoten aus Keramik. Außerdem fanden sie Reste von Kakaobäumen, die dort wuchsen, so dass es durchaus möglich ist, dass sich in dieser Senke namens „Dzadz Ion“ während der späten nachklassischen Periode (etwa 1000–1400 n. Chr.) einer der heiligen Kakao-Haine befand.

„Jetzt haben wir Verbindungen zwischen religiösen Strukturen und den religiösen Pflanzen, die in diesen Senkgruben angebaut wurden“, so Terry. „Da wir wissen, dass die Kakaobohnen als Zahlungsmittel verwendet wurden, bedeutet dies, dass die Senkgruben ein Ort waren, an dem Geld angebaut und kontrolliert werden konnte. Dieses neue Verständnis schafft wichtige historische Einblicke in eine Maya-Landschaft von hohem wirtschaftlichen, politischen und spirituellen Wert“.

Die Forschergruppe setzte sich aus Wissenschaftlern der Brigham Young University, der University of California, Riverside, der University of Miami, der State University of New York, der Kent State University, der Universidad Nacional Autónoma de Mexico, dem Instituto Nacional de Antropologia e Historia und dem Institut für Kulturerbe und Archäologie im Maya-Gebiet zusammen.

Nach Pressemitteilung der Brigham Young University.

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