Kungas: für den Kriegseinsatz gezüchtete Hybriden

Die 4 500 Jahre alte Ikonographie und die Texte aus Mesopotamien zeigen, dass die Elite Pferde für Reisen und zur Kriegsführung einsetzte; die Natur dieser Tiere blieb jedoch rätselhaft. In Science Advances zeigt ein Team des Institut Jacques Monod (CNRS/Université de Paris) anhand alter DNA, dass diese Tiere aus der Kreuzung von Hauseseln mit Wildeseln hervorgegangen sind. Damit sind sie das älteste bekannte Beispiel für Tierhybriden, die von syro-mesopotamischen Gesellschaften 500 Jahre vor der Ankunft von Hauspferden in der Region erzeugt wurden.

Bild-Collage:
Ausschnitt der "Standarte von Ur". Zu sehen sind mehrere Personen, jeweils zwei stehen auf einem Streitwagen, der von zwei Pferden gezogen wird, bei denen es sich um Kungas handeln könnte. Unterhalb der Pferde liegen tote Feinde.

Darunter: fast vollständig erhaltene Pferdeskelette in einer Bestattung.
Göbekli Tepe.
Oben: Detail der „Kriegsseite“ der „Standarte von Ur“, ausgestellt im British Museum, London. © Thierry
Grange / IJM / CNRS-Université de Paris. Unten, links: Pferdebestattung aus Umm el-Marra, Syrien. © Glenn Schwartz / John Hopkins Universität. Unten, rechts: Umfriedung D mit T-förmigen Säulen in Göbekli Tepe, Türkei. © Deutsches Archäologisches Institut, Berlin (Deutschland).

Pferde haben im Laufe der Geschichte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Kriegsführung gespielt. Obwohl domestizierte Pferde im Fruchtbaren Halbmond erst vor etwa 4.000 Jahren auftauchten, benutzten die Sumerer bereits seit Jahrhunderten von Pferden gezogene vierrädrige Kriegswagen auf dem Schlachtfeld, wie die berühmte „Standarte von Ur“, ein 4.500 Jahre altes sumerisches Mosaik, beweist. Keilschrift-Tontafeln aus dieser Zeit erwähnen auch prestigeträchtige Einhufer mit hohem Marktwert, die „Kunga“ genannt werden; die genaue Art dieses Tieres ist jedoch seit Jahrzehnten umstritten.

Ein Team von Paläogenetikern des Instituts Jacques Monod (CNRS/Université de Paris) hat sich dieser Frage angenommen und die Genome von Equiden aus dem 4.500 Jahre alten Fürstengrabkomplex von Umm elMarra (Nordsyrien) untersucht. Anhand morphologischer und archäologischer Kriterien wurden diese Tiere, die in separaten Anlagen begraben wurden, von einem amerikanischen Archäozoologen als die berühmten „Kungas“ vorgeschlagen.

Obwohl das Genom dieser Tiere degradiert ist, konnte es mit dem anderer Equiden verglichen werden: Pferde, Hausesel und Wildesel aus der Familie der Hemione, die speziell für diese Studie sequenziert wurden. Zu letzteren gehören die Überreste eines 11 000 Jahre alten Equiden aus dem ältesten bekannten Tempel in Göbekli Tepe (im Südosten der heutigen Türkei) und die letzten Vertreter der syrischen Wildesel, die Anfang des frühen 20. Jhs. verschwanden. Den Analysen zufolge sind die Equiden von Umm el-Marra Hybriden der ersten Generation die aus der Kreuzung zwischen einem Hausesel und einem männlichen Hemion entstanden sind. Da die Kungas steril waren und die Hemione wild waren, musste jedes Mal ein weibliches Haustier mit einem zuvor gefangenen Hemione gekreuzt werden (der Fang ist auf einem assyrischen Flachrelief aus Ninive dargestellt).

Anstatt die Wildpferde, die die Region bevölkerten, zu domestizieren, züchteten und verwendeten die Sumerer Hybriden und kombinierten die Eigenschaften der beiden Elterntiere, um Nachkommen zu erzeugen, die stärker und schneller waren als Esel (und viel schneller als Pferde), aber besser beherrschbar als Hemionen. Diese Kungas wurden schließlich durch die Ankunft des leichter zu reproduzierenden Hauspferdes verdrängt, das aus der pontischen Steppe in die Region eingeführt wurde.

Nach einer Pressemeldung des CNRS

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