Die Veden im Web

Es ist mehr als 3.000 Jahre her, dass Menschen im Nordwesten Indiens eine Sammlung von Gedichten oder Hymnen fixierten, die heute als Veda/Veden bekannt sind. Die Sänger dieser Hymnen gehörten einem eine indogermanische Sprache sprechenden Volk an; ihre Texte dichteten sie in einem archaischen Sanskrit, dem Vedischen. Im Mittelpunkt dieser uralten heiligen Literatur stehen religiöse Rituale. Die Hymnen und Beschwörungsformeln preisen eine Vielzahl von Göttern wie Indra und Varuna und wurden als Teil einer Liturgie von Priestern vorgetragen.

Zu sehen sind sieben Palmblätter, bräunlich verfärbt, auf denen Veden geschrieben wurden.
Sanskrit-Texte auf Palmblatt in Oriya-Schrift. (Foto: Arlo Griffiths)

Am Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) bilden diese Texte seit vielen Jahren einen Schwerpunkt der Forschung. Jetzt hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zwei weitere Projekte bewilligt, die sich mit den Veden befassen.

Lehrstuhlinhaber Professor Daniel Kölligan wird gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an den Universitäten Köln, Wuppertal und Freiburg das Projekt VedaWeb als „VedaWeb 2.0“ fortsetzen. Und sein Mitarbeiter Dr. Jeong-Soo Kim wird in seinem Projekt zum Atharvaveda einen Wortindex erstellen, der in digitaler Form ebenfalls in das VedaWeb einfließen wird.

VedaWeb 2.0

„Im Rahmen des VedaWeb-Projekts haben wir in den vergangenen Jahren eine webbasierte Open-Access-Plattform entwickelt, welche die linguistische Recherche in altindischen Texten ermöglicht“, erklärt Daniel Kölligan. Als Teil der übergeordneten Plattform „Cologne
South Asian Languages and Texts“ bietet sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, altindische Texte digital zu lesen und nach individuell angepassten Kriterien zu durchsuchen.

Pilottext war dabei bisher der Rigveda, der „früheste und wichtigste Text der altindischen Literatur“, wie Kölligan sagt. Eine Verknüpfung mit dem Standardwörterbuch zu diesem Text, die Anzeige von verschiedenen Übersetzungen sowie die Möglichkeit, einzelne Abschnitte zusammen mit speziellen Anmerkungen nach benutzerdefinierten Kriterien zu exportieren, stehen ebenfalls im VedaWeb zum Angebot.

Im Zuge des Projekts „VedaWeb 2.0“ wollen Kölligan und die weiteren Beteiligten in den kommenden Jahren die VedaWeb-Plattform zu einem digitalen Arbeitsraum für indoarische Texte weiterentwickeln. „Das Projekt ist nun bereit, den nächsten Schritt zu tun, nämlich den Sprung von einer lokal entwickelten und kuratierten Plattform zu einem kollaborativen Arbeitsraum, der von den Bedürfnissen der Gemeinschaft der Forschenden im Bereich des Altindischen als Ganzes geprägt sein wird“, sagt der Sprachwissenschaftler.

Dafür wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht nur weitere Texte in die Plattform aufnehmen, sondern auch einen ganz neuen Datentyp: Audioaufnahmen von Rezitationen des Rigveda und anderer altindischer Texte – was den Nutzerkreis von VedaWeb erheblich erweitern wird.

Weitere Projektziele sind die Entwicklung von Schnittstellen, über die der Forschungsgemeinschaft Anwendungen und Daten zur Verfügung gestellt werden können, die Erweiterung von Suchfunktionalitäten und die Steigerung der Benutzerfreundlichkeit, die Entwicklung von Funktionalitäten, die es Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen, eigene Daten hinzuzufügen und zu bearbeiten, sowie Pläne für eine nachhaltige Archivierung.

Zaubersprüche für ein langes Leben, Flüche und Liebeszauber

Einen weiteren vedischen Text für das VedaWeb aufzubereiten: Das ist das Ziel des zweiten, jetzt von der DFG am Lehrstuhl für vergleichende Sprachwissenschaft genehmigten Projekts. Dr. Jeong-Soo Kim wird sich dabei mit dem Atharvaveda beschäftigten, einer Sammlung von Hymnen, Zaubersprüchen und Beschwörungen, die verschiedene lokale Traditionen enthält. „Der Atharvaveda hebt sich von anderen vedischen Texten ab, denn er umfasst in 20 Bücher unterteilte Hymnen und Prosatexte, die sich größtenteils mit den damaligen Alltagsproblemen der gewöhnlichen Sterblichen beschäftigen“, erklärt Kim. So finden sich dort beispielsweise Zaubersprüche für ein langes Leben, Flüche, Liebeszauber, Heilkunde und Gebete für Wohlstand.

Die Überlieferungsgeschichte des Atharvaveda ist relativ kompliziert: Die Textsammlung liegt in zwei Versionen vor, die sich inhaltlich unterscheiden: die Shaunaka-Überlieferung und die so genannte Paippalada-Version. Von letzterer wiederum gibt es zwei Varianten, die nach ihren Fundorten in den indischen Bundesstaaten Kaschmir und Orissa benannt sind.

Während zur Shaunaka-Überlieferung bereits ein Verzeichnis der verwendeten Wörter existiert, gibt es für die „Paippaladasamhita“ bislang keinen vergleichbaren Wortindex. Das soll sich mit dem Forschungsprojekt „Fertigstellung des Index Verborum des Atharvaveda“ nun ändern.

Ziel ist es, den von Kim bereits in einem Vorläuferprojekt begonnenen Index Verborum, der beide Versionen erfassen soll, fertig zu stellen. „Der Index der Paippaladasamhita wird ein Novum darstellen und als Grundlage für weitere Forschungen dienen. Am Ende des geplanten Projektes werden sowohl ein Index Verborum der Saunakasamhita als auch einer der Paippaladasamhita vorliegen“, erklärt Kim.

Die Projektergebnisse sollen dann in digitaler Form der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden – beispielsweise über das VedaWeb.

Nach einer Pressemeldung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Cover ANTIKE WELT 121

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