Feldforschung im Nildelta

Ägyptische Tempel und andere Stätten des Altertums bergen noch immer viele Geheimnisse. An deren Erforschung wirkt auch die Würzburger Geographie mit.

Klimaforschung, Bodenkunde, Erdbeobachtung und einiges mehr: Die Geographie ist ein sehr vielfältiges Fach. „Dazu ist sie auch noch unfassbar verflochten mit anderen Wissenschaften, etwa mit Physik, Biologie oder Geschichte“, sagt Philipp Garbe, Geographie-Absolvent der Universität Würzburg. Er selbst hat seine Masterarbeit auf dem Gebiet der Geoarchäologie gemacht, das noch relativ jung ist.

Einblick in die Feldforschung. Zwei Personen halten einen Bohrer, um eine Sedimentbohrung durchzuführen. Beide tragen Arbeitskleidung und einen Gehörschutz. Sie stehen in einem Feld in der Nähe einer Stadt in Ägypten.
Philipp Garbe (links) und Julian Trappe bei einer Sedimentbohrung am Tempel der Bastet in Bubastis, Ägypten. (Foto: Julia Meister, Universität Würzburg)

Bei der Abschlussarbeit wurde Philipp von Julia Meister betreut, Juniorprofessorin für Geoarchäologie und Quartärforschung. Sie bringt ihr Forschungsthema so auf den Punkt: „Wir untersuchen die Landschaften rund um archäologische Grabungsstätten. Dabei arbeiten wir eng mit den Grabungsteams zusammen.“

Die Professorin forscht unter anderem in Ägypten, und zwar im Nildelta rund um den Tempel der Göttin Bastet in Bubastis. Dort läuft eine Grabung, die ebenfalls von einer Forscherin der Uni Würzburg geleitet wird, von der Ägyptologin PD Dr. Eva Lange-Athinodorou. Sie ist vor Ort gemeinsam mit der ägyptischen Antikenbehörde aktiv.

Bohrungen und geoelektrische Messungen

In Bubastis hat auch Philipp Garbe mitgearbeitet. Es gab dort in altägyptischer Zeit zwei künstliche Kanäle, die Wasser vom Nil zum Tempel leiteten – für Reinigungsriten und andere Zwecke. Das ist aus textlichen Überlieferungen bekannt, die unter anderem vom antiken Geschichtsschreiber Herodot stammen.

Das Team von Julia Meister wollte es genau wissen: Wo verliefen diese Kanäle, welche Größe und Form hatten sie? Um das zu klären, wurden in der Nähe des Tempels 34 Bohrungen und fünf geoelektrische 2D-Messungen durchgeführt. Die Sedimente und elektrischen Widerstände im Untergrund zeigten Stellen, an denen sich bis zu fünf Meter mächtige lehmige bis tonige Ablagerungen befinden. Das ist typisch für Sedimente, die sich in langsam fließenden Gewässern absetzen.

So konnte das Würzburger Team zwei voneinander getrennte Kanäle nachweisen. Sie verliefen nördlich und südlich des Tempels und waren etwa 30 Meter breit. Vermutlich waren die beiden Wasserläufe über einen Nebenfluss oder Kanal mit dem Nil verbunden.
Diese Ergebnisse sind im Journal Geosciences veröffentlicht. Philipp Garbe ist Zweitautor der Studie – eine schöne Sache, die Früchte seiner Masterarbeit auch in einer internationalen Fachzeitschrift zu sehen.

Breit aufgestelltes Bachelor- und Masterstudium

Wie Philipp das Geographiestudium in Würzburg beurteilt? „Das fachliche Spektrum hier ist interessant“, sagt er. Der Bachelor gebe Einblicke in alle Facetten der Geographie. Wer möchte, kann aber schon ab dem dritten Semester Schwerpunkte auf seine Lieblingsthemen legen.
Für den Absolventen ebenfalls ein Vorteil: „Die Würzburger Masterstudiengänge sind inhaltlich breit aufgestellt.“ Eine Ausnahme bildet der stärker spezialisierte internationale Master „Applied Earth Observation and Geoanalysis“. Hier steht die Erdbeobachtung mit Satellitendaten im Mittelpunkt.

Pflanzenbestimmung mit Phytolithen

Seine Zukunft sieht der Würzburger Geograph in der Wissenschaft; er strebt eine Doktorarbeit bei Julia Meister an. Thema soll wieder das altägyptische Bubastis sein, denn dort ist noch längst nicht alles erforscht. „Wir planen weitere Bohrungen, etwa um die Anbindung der Tempelkanäle an den Nil zu klären“, sagt die Professorin.

Sie interessiert sich auch für die Vegetationsgeschichte von Bubastis: Wo haben die alten Ägypter dort welche Pflanzen angebaut? Das lässt sich mit einer Methode klären, für die Meister eine der wenigen Spezialistinnen ist: mit der Phytolithen-Analyse.
Phytolithen sind mikroskopisch kleine, verwitterungsresistente Kristalle aus Siliziumdioxid. Viele Pflanzen, vor allem Getreide und andere Gräser, reichern solche Kristalle in ihrem Gewebe an – und zwar in einer jeweils spezifischen Gestalt. Findet man also Phytolithen im Boden, lässt sich aus ihrer Form erkennen, welche Pflanzenarten dort vor vielen Jahrhunderten gewachsen sind.

Geoarchäologie-Projekte in vielen Ländern

Die Landnutzung, Bewässerungsmaßnahmen und Umweltbedingungen vergangener Zeiten erforscht Julia Meister weltweit. Aktuell ist sie beispielsweise den geoarchäologischen Überresten der Inka-Landwirtschaft in Peru auf der Spur. Weitere Projekte von ihr laufen an Grabungsstätten in der Türkei und in Griechenland; Projekte in Moldawien und Italien befinden sich in der Planung – ein weites Feld also für Studierende der Geographie, die sich für geoarchäologische Themen interessieren.

Nach einer Pressemeldung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Publikation

The sacred waterscape of the Temple of Bastet at ancient Bubastis, Nile Delta (Egypt). Julia Meister, Philipp Garbe, Julian Trappe, Tobias Ullmann, Ashraf Es-Senussi, Roland Baumhauer, Eva Lange-Athinodorou, Amr Abd El-Raouf. Geosciences 2021, 11(9), 385. Open Access

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