Der aztekische Spiegel des John Dee

Neue Forschungen haben bestätigt, dass ein Obsidianspiegel, den John Dee (1527–1608/9), der Vertraute von Königin Elisabeth I., benutzte, um bei seinen okkulten Praktiken Kontakt mit jenseitigen Geistern aufzunehmen, aztekischen Ursprungs ist.

Elizabeth Healey untersucht den Spiegel (Foto: S. Campbell).

„John Dee ist eine bemerkenswerte historische Figur, ein Universalgelehrter der Renaissance, der sich für Astronomie, Alchemie und Mathematik interessierte und ein Vertrauter von Elizabeth I. war“, so Professor Stuart Campbell von der Universität Manchester. „Später beschäftigte er sich mit Wahrsagerei und Okkultismus und versuchte, mit Hilfe von Hellsehern, die Artefakte wie Spiegel und Kristalle benutzten, mit Engeln zu sprechen.“

Es wurde schon lange vermutet, dass einer von John Dees Hellsehern, ein Obsidianspiegel, der sich heute im British Museum befindet, aztekischen Ursprungs ist. Da es jedoch keine Aufzeichnungen darüber gab, wie er ihn erhalten hatte, war es unmöglich, dies zu beweisen.

Nun hat ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter Professor Stuart Campbell, dieses Rätsel mit Hilfe einer geochemischen Analyse gelöst. Ihre in der Zeitschrift Antiquity veröffentlichten Forschungsergebnisse bestätigen die aztekische Herkunft des Obsidianspiegels von John Dee.

Bei der Analyse wurden die Spiegel mit Röntgenstrahlen beschossen, was dazu führte, dass die Objekte ebenfalls Röntgenstrahlen aussendeten, die es den Wissenschaftlern ermöglichten, die Zusammensetzung des Artefakts zu messen. Dies sind einzigartige „Fingerabdrücke“, die mit Obsidianproben verglichen werden können, um den Ursprung des Materials zu ermitteln. Das Team untersuchte vier Objekte im Britischen Museum – den Spiegel von John Dee, zwei weitere aztekische Spiegel und eine polierte rechteckige Obsidianplatte.

Diese Methode ergab, dass alle vier untersuchten Obsidianartefakte aus mexikanischem Obsidian hergestellt wurden, der von den Azteken abgebaut wurde. Der Obsisidanspiegel von John Dee und ein weiterer mit einem ähnlichen Design stammen aus der Nähe von Pachuca. Diese Obsidianquelle wurde von den Azteken stark ausgebeutet.

Für die Azteken hatte Obsidian auch eine spirituelle Bedeutung. Er konnte als Teil von medizinischen Praktiken verwendet werden, als Schutzschild gegen böse Geister dienen und auf seiner reflektierenden Oberfläche Seelen einfangen. Eine Gottheit, Tezcatlipoca, wird sogar als „rauchender Spiegel“ bezeichnet und oft mit kreisrunden Obsidianspiegeln dargestellt, die als Symbole der Vorahnung und Macht gelten.

Dieser symbolische Wert könnte sie für die Europäer zu attraktiven Sammelobjekten gemacht haben, die sie bei der Eroberung der Azteken mit nach Hause brachten. Die Tatsache, dass Spiegel in Europa häufig auch als magische Gegenstände angesehen wurden, könnte als zusätzliche Motivation gedient haben.

„Das 16. Jahrhundert war eine Zeit, in der neue exotische Objekte aus der Neuen Welt nach Europa gebracht wurden und der geistigen Welt der damaligen Zeit aufregende neue Möglichkeiten eröffneten“, so Professor Campbell. Diese aztekischen Spiegel waren neuartige und exotische Gegenstände, die einen Platz in vielen frühen Sammlungen fanden. Geschichten über die Bedeutung der Spiegel reisten möglicherweise mit ihnen mit und könnten John Dee dazu motiviert haben, seinen Spiegel zu erwerben, als er ihn in Europa entdeckte.

Nach einer Pressemeldung der Zeitschrift Antiquity

Publikation:

The mirror, the magus and more: reflections on John Dee’s obsidian mirror – Stuart Campbell, Elizabeth Healey, Yaroslav Kuzmin & Michael D. Glascockhttps://doi.org/10.15184/aqy.2021.128

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