Früher Handel der Elymer auf Sizilien

Die vorherrschende Meinung ist, dass die indigene Bevölkerung Siziliens weder über Territorium, Macht noch wirtschaftliche Ressourcen verfügte. Mit Hilfe interdisziplinärer Methoden zeigt eine neue Arbeit jedoch, dass der Handel für die Bewohner der elymischen Siedlung Monte Polizzo im Westen der Insel ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft war.

Etruskische Transportamphoren und ein spezieller Becher, die so genannte Capeduncola. Man geht davon aus, dass diese Art von Becher in rituellen Zusammenhängen (Verbindung zwischen Mensch und Natur/Erde) verwendet wurde (Foto: N. Johansson).

Im Allgemeinen ist die Geschichtsschreibung über das antike Sizilien überwiegend griechisch geprägt, d.h. sie konzentriert sich auf die griechischen Einwanderer. Da die architektonischen Überreste der einheimischen Bevölkerung relativ unscheinbar sind, während die der griechischen Einwanderer monumental sind, wurde in der Geschichtsschreibung davon ausgegangen, dass die einheimische Bevölkerung weder über Territorium, Macht noch wirtschaftliche Ressourcen verfügte. Stattdessen wurde angenommen, dass die Griechen, sobald sie sich auf der Insel niedergelassen hatten (auf der Westseite im Jahr 628 v. Chr.), den größten Teil der sizilianischen Tiefebene, die Wirtschaft und damit auch die einheimische Bevölkerung kolonisierten und kontrollierten.

Diese Sichtweise hat zu einem Ungleichgewicht und einem verzerrten Bild der Rolle der einheimischen Bevölkerung – des Volkes, das der griechische Historiker Thukydides die Elymer nannte – in der natürlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Landschaft Westsiziliens während der archaischen Periode (700–500 v. Chr.) beigetragen, so Cecilia Sandström, Doktorandin in Klassischer Archäologie und Alter Geschichte an der Universität Göteborg. „Mein Ziel war es, mit meiner Arbeit den Fokus zu verschieben. Die einheimische Bevölkerung sollte nicht als homogene Gruppe betrachtet werden, sondern als unabhängige Akteure mit eigenen Zielen, Geschmäckern und Vorlieben.“

Der Monte Polizzo (Foto: J.L. Berry).

Schauplatz ihrer Studie ist die elymische Siedlung Monte Polizzo im Westen Siziliens, strategisch günstig auf einem Berg gelegen, etwa 700 Meter über dem Meeresspiegel und rund 20 km von der Westküste entfernt – auf halbem Weg zwischen der phönizischen Siedlung Motya, der griechischen Siedlung Selinunt und der größeren elymischen Siedlung Segesta. „Der Monte Polizzo war nur 75 Jahre lang, zwischen 625 und 550 v. Chr., bewohnt. Die etwa 20 Hektar große Siedlung wurde nach einem Großbrand aufgegeben, der alle Gebäude mit Ausnahme des religiösen Tempels auf der Akropolis zerstörte.“

Interdisziplinäre Methoden

Cecilia Sandström hat sich bei ihrer Studie interdisziplinärer Methoden bedient. Neben dem archäologischen Material, das eindeutig auf Handelskontakte mit den verschiedenen Völkern des Mittelmeerraums hinweist, hat sie palynologische, makrobotanische und geomorphologische Analysen der angrenzenden Landschaft durchgeführt und die Bedingungen für den Handel an diesem Ort kartiert. Ein weiterer wichtiger Faktor war ihre Untersuchung, ob die Flüsse schiffbar waren und als Transportwege genutzt werden konnten.

Große Anzahl von Amphoren

Die große Zahl der importierten Transportamphoren weicht von dem eher bescheidenen Amphorenmaterial ab, das in anderen indigenen Siedlungen der Gegend gefunden wurde. „Eine gängige Vorstellung in der Forschung ist, dass der Inhalt dieser importierten Amphoren nur für die Elite bestimmt war, die sie oft als Geschenk von Griechen und Phöniziern erhielt, aber es gibt keine Beweise für dieses Geschenksystem am Monte Polizzo. Die Funde zeigen vielmehr, dass der Handel ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft der Siedlung war.“

Sehr ungewöhnlich im Vergleich zu griechischen, phönizischen und anderen elymischen Siedlungen im Westen Siziliens ist die Tatsache, dass eine sehr große Anzahl von (meist etruskischen) Amphoren über die gesamte Siedlung verstreut ist – nicht nur in Tempeln und „wohlhabenden“ Häusern. „Die unterschiedliche Herkunft der Amphoren zeigt auch, dass die Menschen dort Zugang zu verschiedenen Netzwerken hatten, die indirekt über die griechischen und phönizischen Siedlungen erreicht werden konnten. Die Studie zeigt aber auch, dass es viele Möglichkeiten für direkte Kontakte über die Flussmündungen gab.“

Ökologische und ökonomische Bedingungen

Studien zu den ökologischen und ökonomischen Bedingungen im untersuchten Gebiet bringen einzigartige Erkenntnisse zutage. „Die Tatsache, dass die lokale Wirtschaft am Monte Polizzo aus Viehzucht und landwirtschaftlichen Produkten bestand, die möglicherweise zusammen mit Holz exportiert wurden, ist an sich nicht überraschend. Analysen von Flusssedimenten zeigen jedoch, dass sie ihre Umgebung tatsächlich völlig entwaldet und das Land so intensiv bewirtschaftet haben, dass der fruchtbare, humusreiche Boden in weniger als 75 Jahren vollständig abgetragen wurde.“

Außerdem zeigen die geomorphologischen Untersuchungen, dass große Teile des Gebiets zwischen der Westküste und dem Landesinneren, in dem sich der Monte Polizzo befand, sich in Sümpfe zu verwandeln begannen. „Ob Krankheiten wie die Malaria‘ die in Sizilien im 5. Jahrhundert v. Chr. belegt ist, bereits im 6. Jahrhundert v. Chr. grassierten, lässt sich allerdings noch nicht nachweisen. In Kombination mit der Abholzung und dem weniger fruchtbaren Boden, den die Elymer hinterließen, war dies vielleicht Grund genug, den Ort zu verlassen, und führte dazu, dass er nie wieder besiedelt wurde.“

Dissertation: Encountering Environments. Natural conditions for subsistence and trade at Monte Polizzo, Sicily, 650-550 BC wurde am 24. September 2021 um 13 Uhr öffentlich verteidigt.

Nach einer Pressemeldung der Universität Göteburg.

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