Restaurierung mit Ausblick am Apollontempel in Didyma

Zum ersten Mal seit Beginn der Restaurierungsarbeiten am Apollontempel in Didyma wurden die letzten noch stehenden Säulen eingerüstet. So konnten nun auch die oberen Abschnitte der Säulen untersucht und konsolidiert werden. Vorherige Drohnenaufnahmen ließen deutliche Schäden vermuten die sich nun bestätigten.

Das Foto zeigt die drei eingerüsteten Säulen des Apollontempels in Didyma. Die Gerüste bedecken jeweils die ganze Säule.
Die eingerüsteten Säulen des Apollontempels (Foto: H. Bumke / E. Koenigsaecker; © DAI Abteilung Istanbul; Lizenz CC-BY-NC-ND).

Wer sich in den nächsten Wochen nach Didyma begibt, wird vergeblich nach dem vertrauten Erscheinungsbild des berühmten Apollontempels Ausschau halten, werden doch seine drei noch aufrecht stehenden Säulen zur Zeit von spektakulären Gerüsten verhüllt. Diese sind Voraussetzung für die Durchführung dringend notwendiger Konservierungsmaßnahmen, die mit Unterstützung des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amtes realisiert werden. Die Arbeiten in Didyma werden mit Genehmigung des Ministeriums für Kultur und Tourismus der Republik Türkei vom Deutschen Archäologischen Institut und der Martin-Luther-Universität Halle durchgeführt.

Mit einer Gesamthöhe von fast 20 Metern handelt es sich um die einzigen der 49 ehemals fertiggestellten Säulen des niemals vollendeten Tempels, die zahlreiche Erdbeben und anderweitige Zerstörungen nicht zu Fall bringen konnten. Während ihr unteres Drittel bis zu ihrer Freilegung zwischen 1906 und 1913 im Schuttberg verborgen lag, waren die herausragenden Säulenschäfte mit ihren Kapitellen und die erhaltenen Architrave über den beiden Nordsäulen seit der Antike ungeschützt Wind und Wetter ausgesetzt. 

Seit 1992 werden die Baureste des Apollontempels in Didyma zwar kontinuierlich auf Grundlage eines langfristigen Konzeptes von einem etablierten Steinmetzteam konsolidiert, von den drei erhaltenen Säulen aber konnten bisher nur die unteren Bereiche in diese Arbeiten einbezogen werden. Erst jetzt, im Jahre 2021 wurden nun auch die drei aufrechtstehenden Säulen durch über 20 m hohe Gerüsttürme berührungsfrei umbaut und damit erstmals bis zum Architrav für eine genaue Autopsie zugänglich gemacht. 

Wie dringlich und umfangreich die anhand vorausgehender Drohnenaufnahmen nur ungenau einzuschätzenden Schäden an Säulentrommeln, Kapitellen und Architraven sind, wurde gleich bei den ersten Begehungen deutlich, da insgesamt an mehr als 60 Punkten Schäden festzustellen waren. Nach einer Kategorisierung dieser Schäden wurde ein Maßnahmenkonzept entwickelt, das ein abgestuftes Vorgehen beinhaltet. Einmal mehr zeigte sich hier die Effizienz bei der Analyse der Schäden und der Bestimmung der jeweils angemessenen Vorgehensweise durch das Zusammenwirken verschiedener Fachkompetenzen eines deutsch-türkischen Teams, bestehend aus den Steinmetzen mit ihrer langjährigen Erfahrung, einem Bauingenieur und mehreren Bauforscherinnen.

Beschädigung an einer Volute am Apollontempel. Ein Teil der "Schnecke" ist weggebrochen. Durch die ganze Volute zieht sich ein feiner Riss von oben nach unten.
Beschädigung an einer der Voluten (Foto: J. Breder; © DAI Abteilung Istanbul; Lizenz CC-BY-NC-ND).

Auch wenn die Konsolidierung der Säulen im Vordergrund steht, ist mit ihrer Einrüstung nun erstmals auch die Gelegenheit gegeben, diese aus unmittelbarer Nähe zu betrachten und zu untersuchen. Möglich ist jetzt nicht nur eine genauere Dokumentation und Vermessung (3D-Vermessung, SfM) mit Unterstützung der Technischen Universität Berlin, sondern beispielsweise auch eine Aufnahme der an der unfertigen Säule noch erhaltenen Zahlzeichen durch Epigraphiker. Darüber hinaus eröffnet sich die einmalige Chance, über verschiedenste Fragen zum Bauvorgang, Aufschluss zu gewinnen, wie z. B. bautechnische Details oder den Stand der Ausführung zum Zeitpunkt der Aufgabe des Bauprojektes Apollontempel. 

In dieser Hinsicht offenbarten die Säulen bereits jetzt unerwartete Befunde. Schließlich war die Überraschung auch groß, als auf der sechsten Säulentrommel eingeritzte Zeichen entdeckt wurden, die verraten, dass sich auf dieser Höhe 1835 ein Besucher namens LEE[?]LOCH verewigen konnte. Dieses aus heutiger Sicht fragwürdige Verhalten liefert nicht nur Hinweise auf die Zugänglichkeit der Ruine bis zu ihrer Freilegung, sondern eine bereits damals durchaus übliche touristische Praxis. Ziel der aktuellen Arbeiten ist nicht zuletzt, durch die dauerhafte Erhaltung des herausragenden Bauwerks auch seine Attraktivität für moderne Besucher zu steigern. So dienen die erhaltenen Säulen heute als Selfie-Kulisse, was man als zeitgemäße Version einer individuellen und zugleich ortsbezogenen Erinnerungskultur verstehen kann. 

Nach einer Pressemeldung des Deutschen Archäologischen Instituts

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