Kulturkaleidoskop Korfu/Kérkyra 2021/2022

Das Gemälde von Theódoros Vryzákis zeigt den Bischof Germanos III. in einem goldenen Gewand in einer Kirche stehend. Um ihn herum stehen Männer in griechischer Tracht. Einer kniet vor dem Bischof nieder und hält die Fahne Griechenlands in den Händen, die vom Bischof geweiht wird. Die auf dem Gemälde gezeigte Szene ist teil des Freiheitskampfes ab 1821, der u.a. im Achilleion auf Korfu in einer Ausstellung thematisiert wird.
Abb. 1: “Bischof Germanos von Patras weiht die Fahne des Freiheitskampfes”, Theódoros Vryzákis, 1865, Athen, Nationalpinakothek.

Eine grüne Insel im ionischen Meer lockt gegenüber dem griechischen Festland und Albanien: Korfu/Kérkyra. Ihre gleichnamige Hauptstadt Korfu/Kérkyra liegt ca. 3 km entfernt, sowohl vom Neuen Hafen (Néo Limáni) als auch vom Flughafen (Aeroliménas Kérkyras Ioánnis Kapodístrias). Das „Achilleion Palace Museum“, etwa 5 km südlich von Kérkyra-Stadt, ist besser bekannt unter dem Namen „Achilleion“. Im Folgenden eingefügte Fotos zur aktuellen Callas-Ausstellung werden Anastásios Diavátis, dem Direktor des „Achilleion Palace Museum“ verdankt. Er und sein Team organisierten/organisieren 2021/2022 diverse Aktivitäten im „Achilleion“, die u.a. an zwei besondere Ereignisse erinnerten/erinnern: Vor 200 Jahren begann der griechische Freiheitskampf und vor 130 Jahren war das „Achilleion“ fertig.

Am 25. März 1821 (6. April im Gregorianischen Kalender) proklamierte Bischof Germanos III. von Patras den Aufstand der Griechen gegen die Osmanen und segnete die Flagge der Revolution. Diese Szenerie gab Theódoros Vryzákis 1865 in seinem Gemälde (Kloster Agía Lávra) wieder (Abb. 1).

Das Ereignis stanzte sich ins kollektive Gedächtnis Griechenlands und förderte eine Erinnerungskultur, die auch bei Veranstaltungen im „Achilleion“ gepflegt wird. Weniger politisch spektakulär als der Beginn des griechischen Freiheitskampfes 1821, aber dennoch anteilig historisch nachhaltig ist die Fertigstellung des „Achilleion“ 1891, dessen aktuelles Museum seine ohnehin schon beachtlichen Besucherzahlen steigert/steigern wird durch Vorträge, Konzerte, Aufführungen, Open Air Kino und vor allem durch die aktuelle Ausstellung „Maria Callas“. Auch für 2022 geplante Lesungen aus Tagebuchblättern von „Constantínos Christomános“ garantieren eine breite Publikumsakzeptanz.

Im „Achilleion“ treffen sich ernsthaft kulturinteressierte und oberflächlich besichtigende Personen. Beiden Gruppen mögen sich die hier anschließenden Informationen willkommen sein.

Das Plakat im Achilleion auf Korfu zeigt ein gemaltes Porträt von Maria Callas und nennt den Titel der Ausstellung.
Darunter findet sich eine Auflistung der Sponsoren und Unterstützer.
Abb. 2: Mit diesem Plakat bewirbt das „Achilleion“ seine Callas-Ausstellung und erwähnt dankend alle Sponsoren, die ein solch aufwendiges Projekt ermöglichten.

Elisabeth von Österreich überredete ihren Gemahl Kaiser Franz Joseph I. von Österreich zu einem Bauvorhaben auf Korfu, das Raffaele Carito und sein Mitarbeiter Antonio Landi 1898−1891 realisierten. Den italienischen Architekten gelang eine Schöpfung des Historismus, d.h. sie verbanden unterschiedliche Stilelemente zu einem neuen stimmigen Ensemble. Die Bauherrin nannte es „Achilleion“ nach Achilleus, ihrem mythologischen Lieblingshelden im Troianischen Krieg. Nach Kaiserin Elisabeths Ermordung 1898 blieb die Residenz ungenutzt. Dann, 1907, erwarb sie der deutsche Kaiser Wilhelm II., dessen Renovierungsmaßnahmen und Mobiliarveränderungen viel umgestalteten. Die Folgejahren bescherten dem „Achilleion“ ein wechselvolles Schicksal (Lazarett, Spielcasino, Tagungsort), bis es als Museum zu Korfus attraktivstem Besichtigungsziel avancierte.  

Die Ausstellung “Maria Callas. Priestess of Opera“ (11.07.−31.10.2021; Abb. 2) gehört zu den Events, welche das Museum ausrichtet in Zusammenhang mit den Feiern zum 200. Geburtstag des Griechischen Unabhängigkeitskrieges.

Maria Callas zählt zu jenen Griechen:innen, die sich in ihrem Heimatland und weltweit auszeichneten durch Leistung und Persönlichkeit.

Vom Eingangsbereich des „Achilleions“ (Abb. 3), der durch seine ins Obergeschoß führenden Treppen und die in römisch campanischer Manier bemalten Wände fasziniert, betritt man − vorbei am modern expressiven Ölgemälde (Callas und Rosen) von Ioánna Evthymioudie − die Ausstellung im Raum mit den heutzutage hellgrünen Wänden, die einst, als sie das kaiserliche Esszimmer umschlossen, weniger lichtfreundlich hell waren, wie es alte Fotos belegen. Wo man einst speiste, sind Originalkleider zu bewundern, die Maria Callas im Teatro alla Scala in Mailand trug (Abb. 4). Das berühmte Opernhaus, auf dessen Bühne die Sopranistin 1950−1962 brillierte, stellte die kostbaren Kostüme dem „Achilleion“ als Leihgabe zur Verfügung. In der Robe − weißes Gewand mit roter Stola − sang Maria Callas in Guiseppe Verdis Oper Macbeth. Die Farbe des roten Manteltuchs über weißem Kleid verantwortet eine Assoziation zum − oberhalb des Kamins mit dem Erotenfries positionierten − Gemälde, in dem Ludwig Thiersch (1825−1908) griechische Sagenwelten verlebendigte (Abb. 5).

Die Frau, ganz in Weiß mit rotem Umhang, blickt auf den vor ihr kauernden nackten Mann. Folgendes ist dargestellt: Nausikaa entdeckt einen Fremdling: Odysseus. Mit göttlichem Beistand enden seine Irrfahrten auf Scheria; so heißt die Insel Korfu bei Homer. Odysseus hat sich aus der Meeresbrandung in eine Flussmündung retten können. Dort findet ihn Nausikaa, die Tochter des Inselkönigs Alkinoos. Das Mädchen erträumt Odysseus als Gemahl an seiner Seite, aber er wird zu seiner Frau Penelope nach Ithaka heimkehren. Rechts vom Nausikaa-Gemälde und vom Lady Macbeth Kostüm, an der Wand unter der Puttengruppe steht die Vitrine mit der dunkelblau-roten Callas-Robe (Gaetano Donizetti, Anna Bolena) und mit dem hellblau-rosa Callas-Gewand (Giochacino Rossini, Barbier von Sevilla; Abb. 6). Eine Porträt-Fotografie der „Priestess of Opera“, wie Maria Callas im Ausstellungstitel geehrt wird, weckt Erinnerungen.

Das Programm zu den für 2022 geplanten Lesungen aus den Aufzeichnungen von  Constantínos Christomános (1876−1911; Abb. 7) – die Abbildung zeigt ihn als 23 Jährigen – wirbt demnächst vermutlich mit diversen Beiprogrammen, um das „platonische“ Nebeneinander eines jungen Griechen und einer gealterten Kaiserin sachlich zu vermitteln. Christomános begleitete Elisabeth von 1891 bis 1894 als Vorleser und Griechischlehrer. Nach ihrer Ermordung (10. September 1898) publizierte er Tagebuchblätter, in denen er seine emotionsreichen Begegnungen mit Kaiserin Elisabeth von Mai 1891 bis April 1892 niederschrieb. Auszugsweise sind sie herausgegeben und kommentiert von Robert Holzschuh (Die letzte Griechin 1996), der die wortgewordenen Beobachtungen von Constantínos Christimános versteht „als poetische Huldigung eines unglücklichen jungen Griechen an die Kaiserin“ (Holzschuh, S. 7). Giorgos Kritikos, ausgewiesener Kenner und langjähriger Mitarbeiter des „Achilleion Palace Museum“ sei an dieser Stelle herzlichst gedankt für seine kompetenten, umsichtigen und noch dazu raschen Informationen. Sie halfen der Verfasserin sehr, diesen Beitrag zu schreiben.


Adresse der Autorin
Dr. phil. Angelika Dierichs M.A.
Am Agnesstift 11
D-53117 Bonn
Tel. 0228 – 96778722

angelika.dierichs@t-online.de
www.angelika-dierichs.de

Informationen zur Ausstellung:
Maria Callas. Priestess of Opera
11.07.−31.10.2021

Achilleion Palace Museum
49084 Achilleio
Korfu
Mo-So 8-21 Uhr

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Außerdem im Heft: Das AW-Spezial Korfu
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