Japanische Seesedimente zeigen, wie stabiles Klima zur Entstehung der Landwirtschaft führte

Suigetsu-See (Foto: Ritsumeikan University).

Das Aufkommen des Ackerbaus war ein bedeutender Wendepunkt in der Geschichte des modernen Menschen, der zu Sesshaftigkeit und zur Bildung einer „Zivilisation“ führte. Lange unklar blieben die Umweltfaktoren, die für diesen revolutionären Wandel der menschlichen Lebensweise verantwortlich waren. Eine neue Studie über fein geschichteten Schlamm auf dem Grund des Suigetsu-Sees in Japan zeigt, dass die Antwort auf dieses Rätsel in der Stabilität des Klimas liegt.

Sesshaftwerdung

Die Entwicklung des Ackerbaus war für den modernen Menschen eine bahnbrechende Errungenschaft. Sie markierte den Beginn einer sesshaften Lebensweise und der Entwicklung von „Zivilisationen“. Die Umweltfaktoren, die diesen revolutionären Wandel in der Lebensweise der Menschen bewirkten, bleiben jedoch bis heute umstritten.

Eine der am weitesten verbreiteten Theorien über den Ursprung der Landwirtschaft geht davon aus, dass durch eine klimatische Abkühlung, die um ca. 10.900 v. Chr. begann und bis ca. 9.700 v. Chr. andauerte, eine Nahrungsmittelknappheit ausgelöst wurde. Die Menschen waren gezwungen, Landwirtschaft zu betreiben, um die Nahrungsmittelproduktion zu verbessern. Diese Theorie wird jedoch in Frage gestellt: Mehrere Radiokohlenstoffdatierungen von Pflanzenresten, die diese Hypothese zu stützen schienen, wurden vor kurzem neu bewertet, und die aktualisierten Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Periode der klimatischen Abkühlung mit dem Rückgang und der Einstellung des sesshaften Lebens zusammenfiel und nicht mit dessen Beginn.

Aufgrund der archäologischen Beobachtung, dass die Landwirtschaft innerhalb weniger Jahrtausende nach dem Ende der letzten Eiszeit in mehreren Regionen unabhängig voneinander entstanden zu sein scheint, glauben einige Forscher, dass die erhöhten Temperaturen der Nacheiszeit dazu führten, dass die Menschen die Landwirtschaft übernahmen. Diese Theorie kann jedoch nicht erklären, warum der Mensch nicht schon viel früher in den tropischen Regionen mit dem Ackerbau begonnen hat, wo die Temperatur auch während der kältesten Phase der letzten Eiszeit bereits ausreichend hoch war.

Klimarekonstruktion anhand von Pollenanalysen

Eine sehr detaillierte Klimarekonstruktion von ca. 16.000 v. Chr. bis ca. 8.000 v. Chr., die auf Analysen von Pollenfossilien in den jährlich geschichteten Sedimenten des Suigetsu-Sees in Japan beruht, wirft neues Licht auf diese Debatte. Anhand der Rekonstruktion der Klimaveränderungen in diesem Zeitraum, sowie der weltweit genauesten Chronologie des Sediments, die durch die Zählung der jährlichen Schichten und die Radiokohlenstoffdatierung von Hunderten von Blattfossilien erstellt wurde, konnte ein Forscherteam unter der Leitung von Takeshi Nakagawa von der Ritsumeikan-Universität in Japan nachweisen, dass die ersten Versuche, Pflanzen zu domestizieren und landwirtschaftliche Siedlungen zu errichten, mit Zeiten eines relativ warmen und vor allem stabilen Klimas zusammenfielen.

Jährlich geschichtete Sedimente aus dem Suigetsu-See. Ein Paar aus dunklen und hellen Schichten entspricht einem Jahr. Die durchschnittliche Dicke der Jahresschichten beträgt etwa 0,7 mm. Der Suigetsu-See beherbergt eine 45 m dicke Ansammlung solcher Sedimente (Foto: Ritsumeikan University).

Die neuesten Daten des Teams zeigen, dass der Übergang von der Eiszeit zur Nacheiszeit durch den Wechsel zwischen stabilen und instabilen Perioden gekennzeichnet war. Die Domestizierung von Pflanzen begann nicht mit der Etablierung des warmen Klimas um 13.000 v. Chr., sondern musste warten, bis das Klima um 12.000 v. Chr. aufhörte, in kurzen Intervallen und großen Amplituden zu schwanken.

Klimastabilität

Die Landwirtschaft ist eine Subsistenzwirtschaft, die Planung erfordert. Doch um im Voraus planen zu können, ist eine stabile Zukunft wichtig. Als das Klima im Allgemeinen unbeständig war, war die Landwirtschaft zu riskant, denn eine genaue Vorhersage des zukünftigen Wetters war nicht möglich, was die Auswahl geeigneter Feldfrüchte erschwerte. Unter solchen klimatischen Bedingungen war das Jagen und Sammeln eine vernünftigere Subsistenzstrategie, da das natürliche Ökosystem aus einer Vielzahl von Arten besteht, von denen die Menschen etwas Essbares erwarten konnten. Diese neuen Erkenntnisse von Nakagawa und Kollegen stellen daher die traditionelle Ansicht in Frage, dass die Landwirtschaft ein revolutionärer Schritt in der Geschichte der Menschheit war. Stattdessen waren Ackerbau und Jagen und Sammeln gleichermaßen sinnvolle Anpassungsstrategien, je nachdem, ob das Klima stabil oder instabil war.

Die Klimastabilität wurde von den Paläoklimatologen bisher nicht aktiv diskutiert, zum Teil deshalb, weil jährlich aufgelöste natürliche Archive des Klimas selten sind und weil die Analyse solcher Archive mit großem Aufwand verbunden ist. Die einzigartigen Sedimente aus einem kleinen See in Japan sowie die zwei Jahrzehnte dauernden Bemühungen des Forscherteams, Informationen aus den Sedimenten zu gewinnen, ebneten schließlich den Weg zu einer neuen Erkenntnis, die den Blick auf den modernen Menschen verändern könnte.

Nach einer Pressemeldung der Ritsumeikan University.

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