Neue archäologische Schätze in der Bucht von Abukir

Unterwasserarchäologen unter der Leitung von Franck Goddio entdecken eine Galeere in der versunkenen Stadt Thonis-Herakleion

Bei der diesjährigen Mission des Institut Européen d’Archéologie Sous-Marine (IEASM) vor der ägyptischen Mittelmeerküste konnten sehr interessante Objekte aus der versunkenen Stadt Thonis-Herakleion in der Bucht von Abukir geborgen werden. Unter den Funden ist eine ptolemäische Galeere. Sie sank wohl, als große Gesteinsbrocken des berühmten Amun Tempels, der durch ein Erdbeben im 2. Jahrhundert v. Chr. komplett zerstört wurde, auf sie stürzten. Die Galeere muss an einem Steg vertäut gewesen sein, der entlang der Südfassade des Tempels führte, als das Desaster passierte. Überreste des Bootes konnten über Jahrtausende am Boden des tiefen Kanals, geschützt durch die Trümmer des Tempels, konserviert werden. Die Galeere liegt zusammen mit den Überresten des Tempels unter einer fast fünf Meter dicken, harten Lehmschicht. Sie konnte nur mithilfe des Prototyps eines neuen Sedimentecholots entdeckt werden.

Riesige Gesteinsblöcke des Amun Tempels fielen auf eine Galeere, die dort am Steg vertäut war und versenkten sie. Thonis-Herakleion, 2. Jh. v. Chr.
(Credit: ChristophGerigk©FranckGoddio/Hilti Foundation)
Riesige Gesteinsblöcke des Amun Tempels fielen auf eine Galeere, die dort am Steg vertäut war und versenkten sie. Thonis-Herakleion, 2. Jh. v. Chr. (Credit: ChristophGerigk©FranckGoddio/Hilti Foundation)

Eine Galeere in einer Mischbauweise

„Ein solcher Fund ist extrem selten“, erklärt Franck Goddio, „Das einzige andere bekannte Schiff dieser Art ist das Marsala Boot (235 BC), das 1969 vor der Küste Siziliens entdeckt wurde. Erste Untersuchungen zeigen, dass die Festigkeit des Rumpfes dieses langen Schiffes durch Schlitz- und Zapfenverbindungen mit großen Zungen und durch eine gut entwickelte innere Struktur gewährleistet wurde. Die Prinzipien des klassischen Schiffbaus sind also vorhanden. Allerdings weist diese Galeere einige typische Merkmale der ägyptischen Schiffsarchitektur auf, so dass man von einer Mischbauweise sprechen kann. Das Schiff hatte einen flachen Boden und Kiel, was für die Schifffahrt auf dem Nil und im Delta von Vorteil war. Diese Merkmale sowie die Hinweise auf wiederverwendetes Holz deuten darauf hin, dass es wahrscheinlich in Ägypten gebaut wurde. Mit einer Gesamtlänge von über 25 Metern hat diese Galeere ein Seitenverhältnis (Länge/Breite) von fast 6 zu 1. Es war ein Ruderschiff, das aber auch mit einem großen Segel ausgestattet war, was die Existenz eines Mastfußes von beträchtlichem Ausmaß beweist.“

Griechisches Leben in Ägypten

Kostbare Opfergaben, darunter auch aus Griechenland importierte Keramiken, wurden von den in Thonis-Herakleion lebenden Griechen zu Bestattungszwecken deponiert.
Spätes 5. - frühes 4. Jahrhundert v. Chr. (Credit: ChristophGerigk©FranckGoddio/Hilti Foundation)
Kostbare Opfergaben, darunter auch aus Griechenland importierte Keramiken, wurden von den in Thonis-Herakleion lebenden Griechen zu Bestattungszwecken deponiert. Spätes 5. – frühes 4. Jahrhundert v. Chr. (Credit: ChristophGerigk©FranckGoddio/Hilti Foundation)

In einem anderen Teil der versunkenen Stadt wurden bei Forschungsarbeiten entlang des nordöstlichen Kanaleingangs Überreste einer griechischen Begräbnisstätte mit kostbaren Grabbeigaben gefunden. Sie werden auf Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. datiert. Die Funde belegen auf beeindruckende Art und Weise das Leben griechischer Händler und Söldner in Thonis-Herakleion, in der Stadt, die an der Mündung des kanopischen Nilarms lag und den Eingang nach Ägypten kontrollierte. Den Griechen war es in der ägyptischen Spätzeit erlaubt, sich im Land niederzulassen. Sie bauten ihre eigenen Heiligtümer nahe des großen Amun Tempels. Die Gebäude wurden ebenso durch Naturkatastrophen zerstört, und ihre Überreste konnten neben denen des ägyptischen Tempels gefunden werden.

Thonis-Herakleion

Die Gottheit Bes wurde als Beschützer im täglichen Leben betrachtet. Sie stand außerdem für den Schutz von Schwangeren. Gold, 5.-4. Jh. v. Chr., Thonis-Herakleion (Credit: ChristophGerigk©FranckGoddio/Hilti Foundation)
Die Gottheit Bes wurde als Beschützer im täglichen Leben betrachtet. Sie stand außerdem für den Schutz von Schwangeren. Gold, 5.-4. Jh. v. Chr., Thonis-Herakleion (Credit: ChristophGerigk©FranckGoddio/Hilti Foundation)


Teile des Amun Tempels versanken aufgrund von Bodenverflüssigungen im tiefen Kanal der Stadt. Sie konnten unter Sedimentschichten in sehr gutem Zustand geborgen werden und zeigen den Reichtum der einstigen Heiligtümer von Thonis-Herakleion, die heute ungefähr 7 Kilometer vor der Mittelmeerküste Ägyptens auf dem Meeresboden liegen. Thonis-Herakleion war jahrhundertelang der größte Hafen Ägyptens vor der Gründung Alexandrias im Jahre 331 v. Chr. Mehrere Erdbeben, gefolgt von Flutwellen, die wiederum Bodenverflüssigungen auslösten, ließen ein 110 Quadratkilometer großes Gebiet des Nildeltas im Meer versinken und mit ihm die Städte Thonis-Herakleion und Kanopus. Sie wurden erst in den Jahren 2000 bzw. 1999 vom IEASM wiederentdeckt

Das Europäische Institut für Unterwasserarchäologie (IEASM) unter Leitung von Franck Goddio arbeitet in Kooperation mit dem ägyptischen Ministerium für Tourismus und Altertümer und mit Unterstützung der Hilti Foundation.

Nach einer Pressemeldung des Institut Européen d’Archéologie Sous-Marine

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