Die Stadt Davids und das Geheimnis der Haifischzähne

Wissenschaftler haben einen unerklärlichen Hortfund aus versteinerten Haifischzähnen in einem Gebiet gefunden, wo es keine geben sollte – in einer 2900 Jahre alten Stätte innerhalb der Davidsstadt in Jerusalem. Diese ist mindestens 80 km von dem Ort entfernt, an dem man diese Fossilien erwarten würde. Es gibt keinen schlüssigen Beweis dafür, warum der Hort zusammengestellt wurde, aber es könnte sein, dass die 80 Millionen Jahre alten Haifischzähne Teil einer Sammlung waren, die kurz nach dem Tod von König Salomon[1] entstand. Das gleiche Team hat nun ähnliche unerklärliche Funde in anderen Teilen des antiken Judäa ausgegraben.

Bei der Präsentation der Arbeit auf der Goldschmidt-Konferenz sagte der leitende Forscher, Dr. Thomas Tuetken (Universität Mainz, Institut für Geowissenschaften): „Diese Fossilien befinden sich nicht in ihrer ursprünglichen Umgebung, sie wurden also bewegt. Wahrscheinlich waren sie für jemanden wertvoll; wir wissen nur nicht, warum, oder warum ähnliche Gegenstände an mehr als einem Ort in Israel gefunden worden sind“.

Das Bild zeigt einen der gefundenen Haifischzähne. Der Zahn ist nur wenige Zentimeter lang und dünn. An den Rändern befinden sich kleine Einkerbungen, die in ihrer Form einer Säge ähneln. Der Zahn an sich hat eine leicht nach hinten gebogene Spitze.
Fossiler Squalicorax-Zahn Nr. #07815 von der Fundstelle Jerusalem. Foto: Omri Lernau

Die Haifischzähne wurden in Material gefunden, das zum Auffüllen eines Kellers vor dem Umbau zu einem großen eisenzeitlichen Haus verwendet wurde. Das Haus selbst befand sich in der Davidsstadt, einem der ältesten Teile Jerusalems, der sich heute in dem überwiegend palästinensischen Dorf Silwan befindet. Sie wurden zusammen mit Fischknochen, die vor 2900 Jahren als Speisereste weggeworfen wurden, und anderem Füllmaterial, wie Töpferwaren, gefunden. Interessanterweise wurden sie auch zusammen mit Hunderten von Bullae gefunden – Gegenstände, die zum Versiegeln vertraulicher Briefe und Pakete verwendet wurden – was auf eine mögliche Verbindung mit der administrativen oder regierenden Klasse zu einem bestimmten Zeitpunkt schließen lässt. Normalerweise wird archäologisches Material anhand der Stratigrafie datiert, innerhalb derer es gefunden wird. So wurde zunächst angenommen, dass die Zähne zeitgleich mit dem Rest des Fundes waren. Dr. Tuetken sagte: „Wir hatten zunächst angenommen, dass es sich bei den Haifischzähnen um Reste der vor fast 3000 Jahren abgeladenen Nahrung handelt, aber als wir eine Arbeit zur Veröffentlichung einreichten, wies einer der Gutachter darauf hin, dass einer der Zähne nur von einem Hai aus der späten Kreidezeit stammen konnte, der seit mindestens 66 Millionen Jahren ausgestorben ist. Das schickte uns zurück zu den Proben, wo die Messung der organischen Substanz, der elementaren Zusammensetzung und der Kristallinität der Zähne bestätigte, dass tatsächlich alle Haizähne Fossilien waren. Ihre Strontium-Isotopenzusammensetzung deutet auf ein Alter von etwa 80 Millionen Jahren hin. Dies bestätigte, dass alle 29 in der Davidsstadt gefundenen Haifischzähne Fossilien aus der späten Kreidezeit waren – zeitgleich mit den Dinosauriern. Mehr noch, sie wurden nicht einfach aus dem Felsgestein unter dem Fundort herausgewittert, sondern wurden wahrscheinlich von weit her transportiert, möglicherweise aus dem mindestens 80 km entfernten Negev, wo ähnliche Fossilien gefunden werden“.

Seit den ersten Funden hat das Team weitere Fossilien von Haifischzähnen an anderen Stellen in Israel gefunden, an den Standorten Maresha und Miqne. Es ist wahrscheinlich, dass auch diese Zähne ausgegraben und von ihren ursprünglichen Fundorten weggebracht wurden.

Dr. Tuetken sagte: „Unsere Arbeitshypothese ist, dass die Haifischzähne von Sammlern zusammengebracht wurden, aber wir haben nichts, um das zu bestätigen. Es gibt keine Abnutzungsspuren, die darauf hindeuten, dass sie als Werkzeuge benutzt wurden, und keine Bohrlöcher, die darauf hindeuten, dass sie Schmuck gewesen sein könnten. Wir wissen, dass es auch heute noch einen Markt für Haifischzähne gibt, es könnte also sein, dass es in der Eisenzeit einen Trend zum Sammeln solcher Gegenstände gab. Dies war eine Zeit des Reichtums am judäischen Hof. Allerdings ist es zu einfach, 2 und 2 zusammenzuzählen, um 5 zu ergeben. Wir werden wahrscheinlich nie wirklich sicher sein“.

Die identifizierten Haizähne stammen von mehreren Arten, u. a. von der ausgestorbenen spätkreidezeitlichen Gruppe Squalicorax. Squalicorax, der zwischen 2 und 5 Meter lang wurde, lebte nur während der späten Kreidezeit (also in der gleichen Periode wie die späten Dinosaurier) und dient daher als Referenzpunkt für die Datierung dieser Fossilien.

Dr. Brooke Crowley (Universität von Cincinnati) kommentierte: „Diese Forschungsarbeit von Dr. Tuetken und Kollegen ist ein hervorragendes Beispiel dafür, warum es so wichtig ist, sich einer Forschungsfrage mit so wenig Annahmen wie möglich zu nähern, und wie wir manchmal unsere ursprünglichen Annahmen revidieren müssen. Es zeigt auch, wie vorteilhaft es sein kann, mehrere Werkzeuge zur Beantwortung einer Forschungsfrage einzusetzen. In diesem Fall verwendeten die Autoren sowohl Strontium- und Sauerstoffisotope als auch Röntgenbeugung und Spurenelementanalyse, um das wahrscheinliche Alter und die Herkunft der fossilen Zähne zu bestimmen. Es war eine monumentale Arbeit, aber diese Bemühungen haben eine viel interessantere Geschichte über die Menschen enthüllt, die in der Vergangenheit in dieser Region lebten. Ich bin sehr begeistert von dieser Arbeit und hoffe, dass wir eines Tages in der Lage sein werden, das Geheimnis zu lüften, warum diese fossilen Zähne aus kulturellen Ablagerungen geborgen wurden“.

| Nach einer Pressemeldung der Goldschmidt Conference

Die Arbeit im Zusammenhang mit den Jerusalemer Funden wurde in der Fachzeitschrift Frontiers in Ecology and Evolution 8:570032 veröffentlicht.


[1] Der Fund stammt aus der Zeit der unmittelbaren Nachkommen König Salomons: Rehabeam, Abija, Assa und Joschapat.

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