DNA-Analysen ohne Zerstörung der Knochen?


Forschende haben eine neue Methode entwickelt, die die nahezu zerstörungsfreie Extraktion von DNA aus archäologischen menschlichen Überresten ermöglicht.

DNA Analysen aus Knochen. Hier sieht man Knochen in einem Fundkontext
Knochen im Fundkontext. CREDIT: KISS PÁL MUSEUM (EDIT MESTER UND ALBERT GYÜRFI)

aDNA entnehmen ohne Knochen zu beschädigen

Ein österreichisch-amerikanisches Forscherteam hat in Zusammenarbeit mit ungarischen Experten der Eötvös Loránd Universität eine neue Methode entwickelt. Dadurch soll eine nahezu zerstörungsfreie Extraktion von genetischem Material aus archäologischen menschlichen Überresten möglich werden. Die Methode erlaubt es Anthropologen, Archäologen und Archäogenetikern, das Risiko einer ernsthaften Beschädigung von Artefakten von bedeutendem wissenschaftlichen und denkmalpflegerischen Wert zu vermeiden. Dadurch bleiben die Funde auch für zukünftige Forschungen erhalten.

Die bioarchäologische Forschung an menschlichen und tierischen Überresten aus archäologischen Ausgrabungen hat in den letzten Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sowohl national als auch international wird neben der klassischen archäologischen und anthropologischen Forschung eine bedeutende Anzahl von molekularbiologischen Untersuchungsweisen einbezogen. Eines der wichtigsten Felder ist die Archäogenetik. Die Untersuchung von altem menschlichen und tierischen Erbgut kann sowohl bei der Analyse der menschlichen Evolution als auch bei der Beantwortung historischer Fragen zu den Bevölkerungen späterer archäologischer Perioden erheblich helfen.

Die ersten Forschungen zur archaischen DNA (aDNA) begannen in den 1980er Jahren. Jedoch kamen die wirklichen methodischen Durchbrüche erst nach der Jahrtausendwende. In dieser Zeit hielten die Next-Generation-Sequencing-Methoden Einzug in die bioarchäologische Forschung. Dank der damals begonnenen groß angelegten Forschung kennen wir heute mehr als 60 % der in den Zellkernen erhaltenen DNA der Neandertaler. Anhand des genetischen Materials aus Zähnen und Fingerknochen, die in Sibirien gefunden wurden, wurde eine neue Menschenart beschrieben. Zudem erkannte man, dass sich der Neandertaler und der moderne Homo sapiens entgegen früherer Vorstellungen miteinander gekreuzt haben. Dies hinterließ deutliche genetische Spuren in den modernen Menschengruppen nördlich der Sahara.

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Mit minimaler Extraktion zum Ziel

Die Entnahme von Proben für archäogenetische Analysen ist jedoch mit einem hohen Grad an Zerstörung verbunden. Weshalb die Entnahme und Durchführung der Proben verhindert oder erschwert wird.

Ein internationales Forscherteam hat dieses Problem erkannt und kürzlich mehrere neue Probenahmeverfahren entwickelt, um die mit der Probenahme verbundenen Knochenschäden zu minimieren. Zunächst wurde die methodische Grundlage für das Anbohren des Innenohrs von der Schädelbasis aus entwickelt. Anschließend zeigten sie, dass die Verwendung von Gehörknöchelchen die Beschädigung der Finne bei der Probenahme deutlich reduzieren kann.

Die neueste Forschung erschien in der Zeitschrift Genome Research. Das oben erwähnten internationalen Team hat mit den Forschenden der Abteilung für Anthropologie (Tamás Hajdu, Krisztián Kiss, Tamás Szeniczey) und des Instituts für Archäologie (Alexandra Anders, Pál Raczky) der Eötvös Loránd Universität zusammengearbeitet.

Funde bleiben intakt

„Die neue Methode reduziert das Ausmaß der Beschädigung der Funde erheblich. Sie besteht darin, dass der DNA-Gehalt des Wurzelfragments des Zahns, das reich an zellulärem Zement ist, durch Eintauchen in eine spezielle Lösung aufgelöst wird. Die Qualität der so gewonnenen Probe ist allerdings nicht so gut wie die der aus dem Innenohr extrahierten DNA. Aber sie ist von gleicher Qualität wie die des genetischen Materials, das mit traditionellen Methoden (Bohren und Pulverisierung des Zahns) gewonnen wird. Der Hauptvorteil der Methode besteht darin, dass der Zahn nur minimal beschädigt wird und seine Struktur nicht nur morphologisch, sondern auch histologisch intakt bleibt. Wohingegen seine unveränderte chemische Zusammensetzung die Durchführung späterer Isotopentests (Strontium oder C14) ermöglicht. Die einzige wahrnehmbare Veränderung ist das Verblassen oder Aufhellen der Wurzelfarbe.

Die Bedeutung der neuen Probenahmemethode liegt daher in ihrer minimalen zerstörerischen Wirkung. Wenn die beprobten Zähne intakt bleiben, können sie weiteren morphologischen, radiologischen, histologischen, oralpathologischen, stabilen Isotopen- und Radiokarbonstudien unterzogen werden. Dies kann besonders in Fällen wichtig sein, in denen nur noch wenige Zähne aus einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Ort erhalten sind, die möglicherweise Zehntausende von Jahren alt sind, und eine zerstörende Probenahme dieser Zähne eine spätere Analyse völlig ausschließen würde. Neben der menschlichen Evolutionsforschung könnte die neue Methodik auch Projekten zur Bevölkerungsgeschichte und Krankheitsentwicklung am Institut für Anthropologie und am Institut für Archäologie der Eötvös Loránd Universität helfen, indem sie die Integrität der Funde bewahrt. Die neue, in internationaler Zusammenarbeit entwickelte Probenahmemethode bietet eine neue Perspektive für die Erhaltung von Artefakten für nationale und internationale Museumsinstitutionen und ermöglicht gleichzeitig die nahezu zerstörungsfreie Durchführung neuester archäogenetischer Analysen.

Nach Pressemeldung der EÖTVÖS LORÁND UNIVERSITÄT (ELTE), FAKULTÄT FÜR NATURWISSENSCHAFTEN.

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