Das Händewaschen in Mykene

Der erste Nachweis, dass sich die alten Griechen die Hände wuschen, stammt aus der 2. Hälfte des 2. Jts. v. Chr., haben Forscher aus Polen und Kanada herausgefunden. Die Mykener, die damaligen Bewohner des griechischen Festlandes, benutzten dazu breite Schüsseln, was zunächst mit religiösen Ritualen verbunden war.

Auch in anderen Hochkulturen des Mittelmeerraums, wie Mesopotamien und Ägypten, ist die Praxis des Händewaschens sowohl in schriftlichen Quellen als auch in der Ikonographie gut dokumentiert. Im Falle Griechenlands stammen die ältesten Informationen dieser Art aus den Epen von Homer aus der ersten Hälfte des 1. Jts. v. Chr.

Dr. Bartłomiej Lis vom Institut für Archäologie und Ethnologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften und Dr. Trevor Van Damme von der Universität Victoria (Kanada) beschlossen, weiter in die Vergangenheit zu blicken und nach Beweisen zu suchen, die auf das Händewaschen bei den Mykenern, d. h. den Bewohnern des griechischen Festlandes in der zweiten Hälfte des 2. Jts. v. Chr. hinweisen.
Dank einer umfangreichen Recherche gelang es ihnen, Beweise für den ersten Gebrauch von Handwaschgefäßen in Griechenland zu finden.

Die Forscher analysierten die wenigen vorhandenen schriftlichen Quellen (Tafeln in Linear B-Schrift) sowie Darstellungen auf Gemälden und Siegeln und suchten nach Hinweisen, die es erlauben, die Gewohnheit des Händewaschens zu identifizieren.

Dr. Lis erklärte gegenüber PAP: „In der Tat enthielten einige der Inventarlisten Informationen über Gefäße, die zum Händewaschen bestimmt waren, und einige Ideogramme (grafische Zeichen), die die Gefäße oder ganze Sets vereinfacht darstellen, ähnelten Gefäßen, die aus Ägypten oder Mesopotamien bekannt sind.“

Auch die einzigartige Darstellung auf dem Sarkophag aus der Hagia Triada wurde von den Forschern als rituelles Händewaschen nach der Opferung eines Stieres umgedeutet. Der mit Malereien verzierte Steinsarkophag befindet sich im Archäologischen Museum von Heraklion auf der Insel Kreta.

Beweis dafür, dass  das Händewaschen schon in Mykene praktiziert wurde: Opferszene auf einem Sarkophag aus der Hagia Triada. In der Bildmitte steht eine Priesterin in einem langen Gewand, die sich die Hände in einer tiefen Schale wäscht. Links hinter ihr steht ein Altar, auf dem ein Stier liegt. Ein rotes Kreuz auf dem Bauch des Stieres verdeutlicht, dass es sich hierbei um ein  Opfertier handelt.
Die einzigartige Darstellung auf dem Sarkophag aus der Hagia Triada wurde von Forschern als rituelles Waschen der Hände nach der Opferung eines Stiers umgedeutet. Das Fragment zeigt eine Priesterin, die ihre Hände in einer breiten Schale wäscht, nachdem sie einen Stier geopfert hat. (Credits: ArchaiPotix; Shared under an Attribution-ShareAlike 4.0 International (CC BY-SA 4.0) license)

Die Wissenschaftler analysierten auch archäologische Artefakte. Sie untersuchten Gefäße, die als Lekane oder Kalathos bezeichnet werden. Ursprünglich waren sie aus Bronze gefertigt, im Laufe der Zeit wurden ihre Nachahmungen aus Ton immer häufiger.
Laut Dr. Lis und Dr. Van Damme handelt es sich um weit geöffnete Gefäße, oft von beträchtlicher Größe, mit einem eher schmalen Boden und mit zwei Henkeln ausgestattet.

Dr. Lis sagte: „Viele Elemente weisen darauf hin, dass ihr einzig möglicher Inhalt Wasser war. Das sind z.B. Verzierungen einiger Tongefäße mit figürlichen Szenen im Inneren des Gefäßes. Jeder undurchsichtige Inhalt würde sie unsichtbar machen. Das wichtigste Argument waren jedoch Spuren des tatsächlichen Gebrauchs dieser Gefäße, oder besser gesagt… ihr Fehlen. Die einzigen Spuren, die auf der Außenseite des Bodens identifiziert wurden, stehen im Zusammenhang mit dem Herumbewegen des Gefäßes.“

Die Forscher fügen hinzu, dass es im Inneren der Gefäße keine Anzeichen für das Mischen oder Schöpfen des Inhalts mit anderen Gegenständen wie Löffeln oder Schaufeln gibt. Darüber hinaus ist die Form des Gefäßes ideal, um sowohl mit den Händen Wasser zu schöpfen als auch beim Waschen das von oben herabfallende Wasser aufzufangen, indem man es mit einer Kanne über die Hände gießt.

Dr. Lis sagte: „Es scheint, dass es sich ursprünglich um eine rituelle Tätigkeit handelte, die mit der Durchführung eines Opfers oder von Beerdigungszeremonien verbunden war oder im Rahmen von elitären Banketten durchgeführt wurde. Nach dem Zusammenbruch der Paläste um 1200 v. Chr. und den damit verbundenen sozialen Veränderungen verbreitete sich dieser Brauch jedoch zusammen mit der Verwendung von billigeren Tongefäßen. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Hände in früheren Perioden nicht täglich gewaschen wurden – wahrscheinlich wurde dafür kein spezielles Gefäß verwendet.“

Die Forschung wurde mit einem Zuschuss des National Science Centre, einem Ione Mylonas Shear Fellowship und einem Jacob Hirsch Fellowship der American School of Classical Studies in Athen durchgeführt. Die Ergebnisse wurden jetzt in der neuesten Ausgabe des Journal of Mediterranean Archaeology veröffentlicht.

von Szymon Zdziebłowski

| Nach einer Pressemeldung von Science in Poland


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