Neue Grabungen und seismische Überwachung am Neptuntempel in Paestum

Der am besten erhaltene Tempel der Magna Graecia wird ab März 2021 dank einer Zusammenarbeit zwischen dem Archäologischen Park von Paestum und Velia und der Abteilung für Bauingenieurwesen der Universität Salerno einer kontinuierlichen seismischen Überwachung unterzogen. Vierzehn Messpunkte mit Sensoren der neuesten Technologie, die im Rahmen der Erforschung von Gravitationswellen entwickelt wurden, wurden an den oberen Teilen des Gebäudes aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. und im Untergrund positioniert, um in Echtzeit jede kleinste Bewegung des Bauwerks zu messen. Die Genauigkeit der Beschleunigungsmesser ist so hoch, dass sie nicht nur seismische Aktivitäten, sondern auch die Auswirkungen von Verkehr und sogar Wind auf den Tempel aufzeichnen können. Da diese Daten systematisch gesammelt werden, helfen sie bei der Modellierung des dynamischen Verhaltens des Gebäudes und sind unerlässlich, um strukturelle Veränderungen aufzuspüren, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind und ein Risiko darstellen könnten.

Die Studie wurde im Rahmen der gemeinsamen Forschungsaktivitäten PAEVE-DICIV (UNISA) mit Unterstützung der Professoren Luigi Petti und Salvatore Barba, Arch. Alfredo Balasco und Dr. Salvatore Ciro Nappo erstellt.

Das Rechenzentrum der Universität Salerno wird in Absprache mit dem Archäologischen Park Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt den Zugang zu den Daten ermöglichen, und zwar kostenlos. Inzwischen ist ein Teil der Daten in Echtzeit auf der Seite des Archäologischen Parks von Paestum und Velia frei zugänglich: https://www.museopaestum.beniculturali.it/monitoraggio-sismico-del-tempio-di-nettuno/.

Foto: Parco Archeologico di Paestum e Velia.

Neues Ausgrabungen entlang der Fundamente

Für die Positionierung der Sensoren im Untergrund wurden neue Ausgrabungen entlang der Fundamente des Denkmals durchgeführt. Die Untersuchungen, die von den Archäologen Daniele Rossetti und Francesco Scelza koordiniert werden, haben mehr als eine Überraschung für die Wissenschaftler bereitgehalten. „Es mag seltsam erscheinen – betont der Direktor des Archäologischen Parks, Gabriel Zuchtriegel – aber dies sind die ersten stratigraphischen Ausgrabungen, die am Neptuntempel, einem der berühmtesten dorischen Monumente der Antike, kontrolliert und korrekt dokumentiert wurden. Und manchmal sind es gerade die berühmtesten Denkmäler, die noch Überraschungen verbergen. In unserem Fall ist es vor allem die Chronologie, die wir dank des Glücks, eine intakte Stratigraphie zu finden, die noch die Geschichte der Baustelle des Tempels enthält, klären konnten. In der Vergangenheit spekulierte Dieter Mertens aufgrund einiger Details des Podiums, dass der Tempel ursprünglich als Peripteros mit 8 x 19 Säulen konzipiert war, um dann in eine „modernere“ Form mit 6 x 14 Säulen umgestaltet zu werden. Unsere Ausgrabungen haben gezeigt, dass die gesamten Fundamente tatsächlich aus der spätarchaischen Zeit stammen, etwa ein halbes Jahrhundert vor der Fertigstellung der Anlage um 460 v. Chr. Wie bei den großen Kathedralen des Mittelalters müssen wir uns eine Baustelle vorstellen, die sich über mehrere Generationen hinzog, mit Umdenken, Anpassungen und Veränderungen im Laufe des Baus. Darüber hinaus konnten wir durch die Ausgrabung rekonstruieren, wie der Bau des Tempels mit einer Umgestaltung der umgebenden Landschaft einherging. Vor dem Baubeginn wurde das Gelände, auf dem der Tempel errichtet werden sollte, eingeebnet, ohne jedoch das Niveau wesentlich abzusenken. Auf eine dünne Seesandschicht, die bei allen vier Testschnitten entlang der Fundamente gefunden wurde, wurden dann die Fundamente gesetzt, die fast vollständig über dem Bodenniveau lagen. Erst später wurden sie mit Erde bedeckt, so dass eine Art künstlicher Hügel um das Podium des Tempels entstand, der heute noch zu sehen ist. All dies hat unser Wissen über den am besten erhaltenen dorischen Tempel der Magna Graecia in außerordentlicher Weise bereichert. Eine Episode, die uns einmal mehr begreiflich macht, wie Schutz und Forschung zwei Seiten derselben Medaille sind.

Die Arbeit für die Implementierung des Überwachungssystems wurde mit Spenden finanziert, die über das Portal Artbonus des Kulturministeriums eingingen, das Steuererleichterungen für diejenigen bietet, die den Schutz und die Aufwertung des kulturellen Erbes unterstützen.

 nach einer Pressemeldung des Parco Archeologico di Paestum e Velia.

Videos zur Überwachung des Neptun-Tempels und zu den Ausgrabungen, die entlang der Fundamente des Tempels stattfanden:

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