Geophysikalischer & archäologischer Survey in Frangissa

Wie viele Projekte des Jahres 2020 ist auch das Frangissa-Projekt von der Corona-Pandemie nicht unbeeinträchtigt geblieben. Eine ursprünglich bereits für das Frühjahr 2020 gemeinsam mit Studierenden der Universitäten Frankfurt am Main und Kiel geplante Field School musste pandemiebedingt abgesagt werden. Dennoch war es möglich, einen vom Department of Antiquities, dem staatlichen zyprischen Antikendienst, bewilligten archäologischen und geophysikalischen Survey im Oktober 2020 mit einem kleinen Team durchzuführen. Die vielversprechenden Ergebnisse legen eine erste wichtige Grundlage für das für die kommenden Jahre geplante Grabungsprojekt „Pera-Frangissa“.

Geophysikalische Untersuchungen

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Apostolos Sarris (Archaeological Research Unit, Lab of Digital Humanities Geoinformatics, University of Cyprus), wurde ein umfassender geophysikalischer Survey in dem bereits durch Archivstudien näher eingegrenzten Areal durchgeführt. Die Prospektion umfasste eine Grundfläche von 6.500 m². Dabei wurde eine detaillierte, georeferenzierte Kartierung des Areals durch eine hochauflösende Messung mittels einer NOGGIN PLUS GPR-Einheit mit einer 250MHz-Antenne durchgeführt. Sie erbrachten eine Reihe von Hinweisen auf oberirdisch nicht sichtbare, bauliche Strukturen im Erdreich. Eine erste vorsichtige Korrelierung der Messdaten mit dem von Ohnefalsch-Richter publizierten Steinplan ergibt Übereinstimmungen, die die apsidiale Struktur des Gebäudes im Inneren des Hofkomplexes sowie die Westmauer des Heiligtumbezirks betreffen. Eine definitive Aussage wird aber erst durch Grabungen an den entsprechenden Stellen zu erzielen sein.

Fotografie: Der geophysikalische Survey beinhaltet die Benutzung des Georadars.
Benutzung des Georadars (© AMRICHA).

Archäologischer Survey

Das im Rahmen einer systematischen Feldbegehung untersuchte Areal von knapp 10.000 m² entspricht weitgehend dem auch im geophysikalischen Survey erfassten Gebiet. Es wurde in regelmäßige Quadranten von 100 m² Grundfläche eingeteilt, deren Position durch Vermessung genau bestimmt und mit dem geophysikalischen Plan korreliert werden. Diese mit einer fortlaufenden Nummer bezeichneten Quadranten wurden systematisch begangen und die obertägig sichtbaren Artefakte eingesammelt. Dabei handelt es sich insbesondere um Fragmente von Gefäßen und Dachziegeln, aber auch um zahlreiche Bruchstücke von Statuen und Statuetten aus Kalkstein oder Terrakotta. Das Fundmaterial wurde statistisch und formtypologisch erfasst, gewogen und fotografiert. Diagnostische Scherben wurden gezeichnet und einer Tonwertbestimmung nach den Munsell Soil Color Charts unterzogen. Die Kartierung der Funde und die bisherige Analyse zeigen, dass sich eine erhebliche Fundkonzentration im westlichen Bereich des Untersuchungsareals abzeichnet. Auffällig ist auch, dass die dort gefundenen Keramikfragmente durchschnittlich deutlich größer und besser erhalten sind, während die oft sehr kleinteilig erhaltene Oberflächenkeramik des mittleren und östlichen Bereichs starke Verwitterungsspuren aufweist. Offenbar befinden sich die Scherben des West-Areals erst seit vergleichsweise relativ kurzer Zeit an der Oberfläche – nämlich seit den Ausgrabungen Ohnefalsch-Richters 1885 –, während das restliche Material über Jahrhunderte hinweg der Witterung ausgesetzt war und immer wieder durch das Pflügen der Felder umgelagert wurde.

Funde von Kalksteinskulpturen und Votivterrakotten konzentrieren sich ebenfalls auf das Areal im Westen des untersuchten Gebiets. Die gefundenen Fragmente sind signifikant und entsprechen dem Fundspektrum der Votive, die während der Grabung 1885 gefunden worden sind. So dominieren unter den kleinformatigen, handgeformten Terrakotten Fragmente von Pferden, Reitern und Wagengespannen. Die aus Teilstücken auf der Töpferscheibe vorgeformten großformatigen Hohlterrakotten stellen Opferbringer dar; hier lassen sich aufgrund der Proportionen Figuren von mindestens Lebensgröße nachweisen. Die Fragmente von Kalksteinskulpturen belegen sowohl Darstellungen von Adoranten als auch Tierfiguren, wahrscheinlich ebenfalls Pferde (bzw. Reiter). Das chronologische Spektrum der Votive reicht dabei von archaischer Zeit bis in den Hellenismus.

Betrachtet man das während des archäologischen Surveys erfasste Fundmaterial in Gänze, erweitert sich der chronologische Rahmen: Die ältesten Funde stammen aus der Frühbronzezeit, die spätesten Funde, die vornehmlich im östlichen Bereich des Untersuchungsareals gemacht wurden, aus spätrömisch-byzantinischer Zeit. In diesem Zusammenhang ist auf eine bereits von Ohnefalsch-Richter erkannte, deutlich flussabwärts gelegene antike Siedlung wohl römischer Zeitstellung hinzuweisen, von woher diese späten Fragmente stammen könnten.

Gegenüberstellung von Schuh-Fragmenten von lebensgroßen Terrakotta-Statuen.
Fragmente von lebensgroßen Terrakotta-Statuen, gefunden während den Ausgrabungen 1885 und 2020 (© AMRICHA).

Ein Suchschnitt von 1885

Abgesehen von den zahlreichen Fragmenten archaisch-hellenistischer Votivgaben, deren Existenz auf das Heiligtum deutet, und deren vergleichsweise frische Erhaltung sie als Reste des Ohnefalsch-Richter’schen Grabungsschutts ausweist, konnten an mehreren Stellen ganz direkte Zeugnisse für die Tätigkeit Ohnefalsch-Richters 1885 nachgewiesen werden. So fanden sich die Reste eines knapp 15 m langen Suchschnittes unmittelbar südlich des Heiligtumareals. Dieser Suchschnitt ist völlig geradlinig angelegt, und seine Breite entspricht exakt 2 Fuß – der zu Zeiten Ohnefalsch-Richters auf Zypern gebräuchlichen Längeneinheit. Aus seinen Berichten ist bekannt, dass er rings um das Gelände entsprechende Sondagen anlegen ließ, um die weitere Ausdehnung des Heiligtums zu erforschen. Der nun wiederentdeckte Suchschnitt durchtrennt eine antike, zweischalige Mauer von rund 60 cm Wandstärke, die in diesem Bereich mit ca. 40 cm Höhe erhalten ist, sich aber möglicherweise noch tiefer im Boden fortsetzt. Da sie – mit Ausnahme des Suchschnitts – ringsum in nicht ausgegrabenem Erdreich steckt, ist hier mit einer ungestörten Stratigrafie zu rechnen. Dieses Areal ist daher für eine nähere Untersuchung im Rahmen der geplanten Ausgrabungen vorgesehen.

Für die Zukunft

Die von AMRICHA nicht nur finanziell, sondern auch personell geförderten Unternehmungen haben die Lokalisierung des 1885 von Ohnefalsch-Richter entdeckten und in einer Notgrabung untersuchten Apollon-Heiligtums von Frangissa klar bestätigt. Im Zuge dieser ersten Kampagne 2020 wurde bereits ein Vermessungsnetz mit einer eigens von AMRICHA angeschafften Totalstation aufgebaut und das GIS-System angelegt. Durch Überfliegen des gesamten Areals mittels einer Drohne wurden ein georeferenziertes 3D-Modell und orthographische entzerrte Ansichten des Tals erstellt und damit die Grundlage für eine Höhenkarte gelegt. Unsere Absicht ist, im Frühjahr 2021 dort mit einer regulären Ausgrabung zu beginnen.

AMRICHA wird dabei wieder die technische Unterstützung übernehmen und die konservatorischen und restauratorischen Arbeiten betreuen (Alexander Gatzsche M.A.). Von Seiten der Universitäten Frankfurt (Dr. M. Recke) und Kiel (PD Dr. P. Kobusch) ist geplant, die Ausgrabungen im Rahmen einer Field School durchzuführen, um so gleichzeitig Studierenden der Klassischen Archäologie einen Einblick in die praktische Feldarbeit, verbunden mit modernsten Methoden der Digitalisierung und Dokumentation, zu ermöglichen. Dabei sind wir wiederum für die Unterstützung seitens des Department of Antiquities Cyprus und der University of Cyprus dankbar, die nicht nur die Kampagne 2020 tatkräftig unterstützt haben, sondern auch Perspektiven für ein langfristigeres, wissenschaftlich bedeutsames und erfolgversprechendes Projekt bieten.

| Nach einer Pressemeldung des AMRICHA


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