Neue Forschungen in Ninive

Im Juni 2014 wurde die nordirakische Stadt Mossul durch die Truppen des sog. Islamischen Staates erobert, die sich dort bis Juli 2017 aufhielten, als ihre letzten Stützpunkte in der Mossuler Altstadt von der irakischen Armee und ihren Alliierten zerbombt wurden. Während dieser Zeit sind dem religiösen Eifer der Islamisten viele antike Denkmäler in der Stadt und ihrer Umgebung zum Opfer gefallen. Im Juli 2014 sprengten sie die berühmte Moschee des Propheten Jonas (Nebi Yunus) auf dem südlichen Hügel von Ninive und plünderten anschließend zwei Jahre lang die Reste des darunterliegenden spätassyrischen Palastes. Es handelte sich um den sog. Militärpalast (ekal māšarti), der von König Sanherib (704–681 v. Chr.) gegründet und von seinen Nachfolgern weitergebaut wurde. Er war bisher hauptsächlich aus den Inschriften dieser Könige bekannt. Im 19. und 20. Jh. konnten auf dem bebauten Hügel lediglich kleine Grabungen unternommen werden.

Im Frühjahr 2018 begann ein Team der Universität Heidelberg die assyrischen Hinterlassenschaften unter dem Trümmerhaufen der Moschee archäologisch zu erkunden. Dokumentiert wurde ein dichtes Netzwerk von Raubstollen mit der Gesamtlänge von mehreren hundert Metern, das die Islamisten angelegt hatten, um in den Palasträumen Kunstobjekte zu finden.

Das Heidelberger Team konnte das Herz des Palastes – den Thronsaal mit mehreren umliegenden Räumen – vermessen sowie fotografisch und fotogrammetrisch erfassen. Zwei Türen hinter dem Thronsaal sind von paarweise aufgestellten Reliefs geflügelter Stiere flankiert. Zahlreiche Steinorthostaten, mit denen die Wände der wichtigsten Räume verkleidet waren, tragen Inschriften der Könige Asarhaddon (680–669 v. Chr.) und Assurbanipal (668–631 v. Chr.). Ferner wurden in den Tunneln mehrere beschriftete und glasierte Ziegel aufgesammelt.

Als Fortsetzung des Dokumentationsprojekts fand im Sommer 2019 eine Grabungskampagne statt. Sondagen, die am Rande der Moscheeruine angelegt wurden, brachten weitere Architekturreste zutage, darunter Teile zweier monumentaler Torwächterfiguren am Haupteingang zum Thronsaal, eine große Anzahl glasierter Ziegel, mit denen die Wände des Palastes geschmückt waren, sowie eine Schatzkammer. Zu den Funden aus diesem Raum zählen Keilschrifturkunden und wertvolle Kleinfunde, die als Beute oder Tribut aus der Levante bzw. Ägypten nach Ninive gelangten.

nach Prof. Dr. S. M. Maul und Prof. Dr. P. A. Miglus, Universität Heidelberg